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Prozessauftakt im Fall Alessio – 33-jährigem Stiefvater wird Totschlag vorgeworfen

UPDATE 12:00h:

Im Prozess um den gewaltsamen Tod des kleinen Alessio aus Lenzkirch hat der angeklagte Stiefvater ein Geständnis abgelegt. Er habe dem auf dem Boden liegenden Dreijährigen zwei- bis dreimal mit der Faust in den Bauch geschlagen, sagte der 33-Jährige heute zum Prozessauftakt. Alessio starb kurze Zeit später an inneren Verletzungen. Er könne sich die Tat bis heute nicht erklären, sagte der Angeklagte. Vermutlich habe er aus Angst vor dem Jugendamt und aus Überforderung gehandelt. Den Vorwurf der Misshandlung sowohl von Alessio als auch dessen kleiner Schwester hat der Stiefvater zurückgewiesen.

Wie unser Redakteur Martin Woßmann den ersten Prozesstag erlebt hat, lesen Sie an dieser Stelle.

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Der tragische Fall aus Südbaden hatte in ganz Deutschland für Aufsehen und Anteilnahme gesorgt: Ab heute muss sich der Stiefvater des getöteten dreijährigen Alessio aus Lenzkirch vor dem Freiburger Landgericht unter anderem wegen Totschlags und schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten. Angeblich soll der 33-jährige Landwirt den Jungen über zwei Jahre hinweg immer wieder so hart geschlagen haben, dass das Kind mehrfach ins Krankenhaus musste. Die Anklage berichtet außerdem von erzwungenen Bädern in eiskaltem Bachwasser und weiteren Erniedrigungen. Am 16. Januar 2015 war es wieder zu einem Gewaltausbruch in der Familie gekommen - diesmal versetzte der Mann Alessio vier so feste Schläge, dass der Junge kurze Zeit später an seinen inneren Verletzungen gestorben ist.

Angeklagter soll auch Alessios Schwester misshandelt haben

Alessios Tante und Großmutter hatten baden.fm beim Trauermarsch im Februar berichtet, dass die Mutter des Jungen aus Angst vor ihrem Lebensgefährten jeglichen Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen hatte und mit den beiden Kindern allein bei ihm lebte. Auch Alessios kleine Babyschwester soll der 33-Jährige geschüttelt und geschlagen haben - wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor.

Schwere Vorwürfe gegen Behörden

Nach dem tragischen Tod des Jungen hatte es massive Vorwürfe gegen die südbadischen Behörden gegeben. Das Jugendamt Breisgau-Hochschwarzwald, das Landrätin Dorothea Störr-Ritter unterstellt ist, wusste von der schwierigen Situation der Familie und hatte bereits mehrere Maßnahmen ergriffen - warum alle diese am Ende nicht geholfen haben und es trotzdem zu der mutmaßlichen Bluttat kommen konnte, das können sich die Verantwortlichen bis heute nicht recht erklären.

Mutter bricht monatelanges Schweigen

Zur Anklage ist es unter anderem auch deshalb gekommen, weil Alessios Mutter sich nach monatelangem Schweigen dazu überwunden hatte, bei den Ermittlern auszusagen und ihren Lebensgefährten zu belasten. Sie sitzt nun als Nebenklägerin im Gerichtssaal. Der Angeklagte hatte alle Vorwürfe zunächst von sich gewiesen und behauptet, dass Alessio eine Treppe heruntergefallen sei. Zum Auftakt sagte er wörtlich: "Alessio war einfach ein Tölpel". Er habe ihm insgesamt nur eine einzige Ohrfeige gegeben, für die er sich im Anschluss auch entschuldigt habe. Auch die vielen blauen Flecken am Körper des Jungen würden nur von seiner Tollpatschigkeit stammen, so der Stiefvater vor Gericht. Alessio soll seiner Aussage nach oft gestürzt oder mit anderen Kindern zusammengeprallt sein. Der 33-Jährige sieht die Schuld eher bei der Mutter des Jungen, angeblich soll sie ihn zwei Mal geschlagen haben. Bei seiner Vernehmung gab der Mann an, selbst in seiner Kindheit das Opfer von körperlichen Misshandlungen gewesen zu sein. Erst auf weitere Nachfragen von Staatsanwalt und Richter hat er schließlich zugegeben, Alessio zwei bis drei Mal mit der Faust in den Bauch geschlagen zu haben, als das Kind schon am Boden lag. "Es tut mir leid", räumte er anschließend ein.

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Experten erwarten, dass das Verfahren sehr kompliziert werden dürfte. Für den Totschlags-Prozess sind insgesamt zehn Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte damit voraussichtlich frühestens am 14. Oktober fallen.

baden.fm ist beim Prozessauftakt live vor Ort und berichtet auch im Radioprogramm über die neuesten Entwicklungen im Fall.