Polizei, Kontrolle, Streifenwagen, © Patrick Seeger - dpa

In den nächsten Tagen wird es weitere Ermittlungen bei Efringen-Kirchen geben

Hintergrund ist der Angriff eines mutmaßlichen Anhängers der "Reichsbürger"-Szene auf einen Polizisten am Montag

Um den genauen Tathergang und weitere Hintergründe des schweren Angriffs auf einen Polizisten bei einer Verkehrskontrolle am Montagabend bei Efringen-Kirchen ans Tageslicht zu bringen, hat die 21-köpfige Sonderkommission seit Donnerstag (10.02.2022) noch einmal Teile der B3 und ihrer Umgebung gesperrt.

Das bestätigte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Freiburg auf baden.fm-Anfrage. Was nun auf dem betroffenen Teilstück der Bundesstraße und der direkten Umgebung passiert, lasse sich am besten unter dem Überbegriff "Spurensicherung" zusammenfassen, heißt es dabei. Tatsächlich gehe es aber auch darum, den exakten Ablauf des Geschehens nahe Wintersweiler zu rekonstruieren.

Gleichzeitig rufen die Ermittler nun mögliche Augenzeugen der vorangegangenen Verfolgungsjagd dringend dazu auf, sich zu melden. Wer am Montagabend (07.02.2022) zwischen 22:15 Uhr und 23:50 Uhr entweder den Polizeieinsatz in Teilen beobachten konnte oder verdächtige Wahrnehmungen gemacht hat, die auf die Flucht oder das Umfeld des beschuldigten Autofahrers hindeuten, erreicht die Kripo unter Tel. 0761/8822880. Darüber hinaus können auch anonyme Hinweise über das Staatsschutz-Onlineportal des Landeskriminalamts eingereicht werden.

Einige Anwohner und Autofahrer hatten sich am Donnerstagmittag irritiert zu Wort gemeldet, weil nur wenige Tage nach dem Großeinsatz an der Stelle schon wieder Steifenwagen die Bundesstraße abgeriegelt hatten und zahlreiche Einsatzkräfte im Ort unterwegs waren. Hinter den Absperrungen versuchen Kriminaltechniker nun Schritt für Schritt nachzuvollziehen, wie die mehrteilige Verfolgungsjagd ihrer Streifenkollegen vorangegangen war und wie sie am Ende in die Gewalttat gipfelte, für die sich nun ein 61-jähriger Autofahrer mit mutmaßlichen Kontakten zur so genannten Reichsbürger-Szene als Verdächtiger wegen versuchten Mordes verantworten soll.

Ziel der Ermittler ist es, am Tatort einen so genannten "objektiven Tatbefund" zu sichern, heißt es von der Polizei. Dafür werden vor Ort scheinbar unter anderem auch Videoaufnahmen gemacht, berichten mehrere Augenzeugen übereinstimmend.

Soko ermittelt wegen mutmaßlichen Mordes gegen 61-Jährigen

Am Mittwoch hatte die eingerichtete Soko in einer Pressekonferenz die ersten Hintergründe des Vorfalls der Öffentlichkeit präsentiert. Sie geht davon aus, dass Autofahrer vor der Polizeikontrolle geflüchtet war, um eine Trunkenheitsfahrt zu verschleiern.

Ein späterer Atemalkoholtest hatte bei ihm ein Ergebnis von 1,4 Promille ergeben. Nach bisherigen Erkenntnissen deutet vieles darauf hin, dass der 61-Jährige den Polizeibeamten anschließend gezielt angefahren haben könnte. Ob dahinter auch ein politisches Motiv stecken könnte, das möglicherweise mit der mutmaßlichen Gesinnung des Verdächtigen zusammenhängt, ist aktuell noch Gegenstand der Ermittlungen.

Der Polizist wurde bei der Attacke schwer am Kopf verletzt, schwebt aber nach Angaben der Einsatzkräfte nicht in Lebensgefahr. Der Autofahrer erlitt zwei Schussverletzungen am Oberarm, als die Kollegen des betroffenen Beamten das Feuer auf ihn eröffneten. Diese konnten im Anschluss ambulant medizinisch versorgt werden. Die Lörracher Staatsanwaltschaft geht dem Vorwurf des versuchten Mordes nach.

Den Behörden sind rund 3.300 Anhänger der Szene im Südwesten bekannt

Bei den so genannten "Reichsbürgern" handelt es sich um einen Sammelbegriff von unterschiedlichen und meist nur lose vernetzten Einzelpersonen und Kleingruppen, die aus verschiedenen Gründen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Behörden ablehnen und dabei meist Bezüge zur unterschiedlichen Verschwörungserzählungen aufweisen.

Weil sich Anhänger der Gruppierung in der Vergangenheit gewaltbereit gezeigt und auch im Zuge der Corona-Pandemie vermehrt zu politischen Umstürzen aufgerufen hatten, behält sie der Verfassungsschutz zu Teilen unter Beobachtung. Dem Landeskriminalamt sind aus dem Bereich aktuell rund 3.300 mutmaßliche "Reichsbürger" in Baden-Württemberg bekannt.

(fw)