Tempo 30, 30er-Zone, Geschwindigkeitsbegrenzung, Tempolimit, Straßenverkehr, © Julian Stratenschulte - dpa (Symbolbild)

Freiburgs Oberbürgermeister verteidigt Tempo-30-Vorstoß gegen öffentliche Kritik

Freiburg und weitere Städte fordern, dass sie in Zukunft selbst über Tempolimits auf den Straßen innerorts entscheiden dürfen

Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) hält weiterhin an seiner Forderung nach flächendeckendem Tempo 30 innerorts auf vielen Freiburger Straßen fest. Am Rande einer gemeinsamen Fahrradtour durch Freiburg mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann (GRÜNE) hat er am Mittwochabend (14.07.2021) seinen Standpunkt im baden.fm-Interview verteidigt.

Neben Freiburg hatten sich unter anderem die Rathauschefs von Leipzig, Ulm oder auch Aachen im Deutschen Städtetag für eine Gesetzesänderung stark gemacht, mit der sie in Zukunft eigenständig über die Geschwindigkeitsbegrenzungen in ihren Städten und Gemeinden entscheiden dürften.

Aus der bisherigen Regelgeschwindigkeit von 50 km/h dann einheitlich 30 km/h zu machen, könnte aus ihrer Sicht einen Beitrag zu besserem Lärmschutz, mehr Sicherheit und weniger CO2-Ausstoß leisten, soll aber vor allen Dingen auch die bestehenden Verkehrsregeln in der Praxis vereinfachen. So wäre an vielen Stellen in der Stadt kein unübersichtlicher Verkehrsschilderwald mehr nötig, an denen zuerst schneller, dann wieder langsamer und plötzlich wieder schneller gefahren werden darf, meint Horn.

Martin Horn (Oberbürgermeister Freiburg): "Es ist erstmal bemerkenswert, wie das Tempo 30 emotionalisiert"

Die Erfahrungen aus Städten wie Breisach, in denen heute bereits entlang der Innenstadt nur 30 gefahren werden darf, hätten gezeigt, dass dort kein Verkehrskollaps entstanden sei, sondern eine Beruhigung. Er verspricht sich davon deshalb mehr Lebensraum und Attraktivität in den betroffenen Stadtgebieten.

Wie sehr  das Thema einige Menschen emotionalisiert, hält der Oberbürgermeister für bemerkenswert. Er hatte sich mit der Unterstützung von Hermann bereits Ende 2020 mit einem ähnlichen Vorstoß an Bundesverkehrsminister Winfried Hermann (CSU) gewandt, um Freiburg zur Modellstadt für Tempo 30 werden zu lassen - damals erfolglos.

Die Pläne bedeuten aus Horns Überzeugung dabei nicht, dass nun überall in der Stadt automatisch wirklich nur noch 30 km/h gefahren werden darf, betont er: Das neue Tempolimit soll nur dort zum Einsatz kommen, wo zur Einführung kein Schild steht. Überall dort, wo ein 50er-Schild steht oder 70 und 80 auf den großen Hauptverkehrsachsen, dort sollen dann auch weiterhin diese Höchstgeschwindigkeiten gelten.

Landesverkehrsminister hofft bei dem Vorhaben auf neue Regierung nach der Bundestagswahl

Gerade bei den großen Zu- und Ausfahrtsstraßen nach Freiburg hinein und wieder heraus sei es auch im Interesse des Rathauses, dass der Verkehr zügig fließt. Deshalb blieben dort dann auch mit so einer möglichen Neuregelung andere Tempolimits bestehen.

Landesverkehrsminister Hermann hält viel von dem Vorstoß und setzt nun vor allen Dingen auf eine mögliche neue Regierung nach der Bundestagswahl, sagte er auf baden.fm-Anfrage.

Es bräuchte da einen neuen Bundesverkehrsminister, der offener ist für sicherheits- und menschenorientierte Verkehrspolitik, so seine klare Kritik in Richtung Berlin. Die Straßenverkehrsordnung sei immer noch zu sehr auf den flüssigen Autoverkehr fokussiert, meint Hermann, und nicht auf den Menschen und die Verkehrssicherheit.

ADAC-Chef: "Vorwand, um Autos aus der Stadt zu verdrängen"

Große Bedenken kommen auf der anderen Seite von der regionalen Wirtschaft und von Verkehrsverbänden. So traut ADAC-Südbaden-Geschäftsführer Clemens Bieniger der Ankündigung nicht so recht über den Weg, dass alle Hauptverkehrsachsen wirklich ausgenommen bleiben.

Als Beispiel führt er unter anderem die angekündigte Reduzierung des Tempolimits auf der Zähringer Straße im Freiburger Norden von 50 auf 30 km/h an. Die Straße gilt als eine der wichtigsten Routen für den Verkehr aus der Stadt in Richtung Gundelfingen, Emmendingen und Waldkirch und ist schon heute zu den Stoßzeiten regelmäßig von langen Staus geprägt.

Flächendeckendes Tempo 30 in weiten Teilen von Freiburg? baden.fm-DJ-Matze macht den Selbstversuch

Komplett unabhängig von Horns Vorstoß im Städtetag soll das neue Tempolimit hier voraussichtlich noch diesen Sommer vorgezogen werden, aus Lärmschutzgründen, wie es heißt. Bieniger befürchtet, dass ähnlich wie bereits auf der B31 durch Freiburg, insbesondere der Berufsverkehr durch so eine Geschwindigkeitsbegrenzung zum Erliegen kommen könnte.

Ein mögliches flächendeckendes Tempo 30 bezeichnet er deshalb als nicht zielführend und als einen Vorwand der Stadt Freiburg zur Verdrängung der Autos aus der Stadt. Auch aus Umwelt- oder Sicherheitsaspekten sei städtisches Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit nicht erfolgsversprechend. Den Plan aus dem Rathaus, bestehende Regeln übersichtlicher zu vereinheitlichen begrüßt er allerdings hingegen grundsätzlich.

Wirtschaft befürchtet drohende Einschränkungen für Unternehmen in der Region

Auch die Vereinigung Badischer Unternehmen + Verbände warnt davor, dass der Verkehr durch die Stadt auf keinen Fall zum Erliegen kommen darf. Hauptgeschäftsführer Michael Hafner fordert das Rathaus dazu auf, unbedingt mindestens Tempo 50 auf den wichtigsten Hauptachsen zu gewährleisten.

Andernfalls befürchtet er starke negative Auswirkungen auf die regionalen Betriebe, die bei ihrer Arbeit auf eigene Mobilität oder pünktlichen Zulieferungen angewiesen sind. Freiburgs geplante Teilnahme an so einem Modellversuch sei deshalb eine Herausforderung für die Wirtschaft.

Freiburg will Mobilitätswende vorantreiben und Verkehr sicherer machen

Und auch abseits der Tempo-30-Debatte soll es in Sachen Verkehrswende in Freiburg nun zügiger vorangehen. Im neuen städtischen Haushalt hat der Freiburger Gemeinderat trotz der vergleichsweise knappen Kassen durch die Corona-Pandemie rund 16 Millionen Euro für Maßnahmen zur Verfügung gestellt, die dem Fußwege- und Radverkehr zu Gute kommen sollen.

Dabei plant die Stadtverwaltung nun 24 konkrete Einzelmaßnahmen innerhalb von 16 Monaten in die Tat umzusetzen. Diese sollen besonders für Fußgänger und Radfahrer für eine höhere Verkehrssicherheit in der Stadt und darüber hinaus sorgen, so Horn.

(fw)