Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt BW/dpa, © Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt BW/dpa

Was ein Wolfsrudel für den Schwarzwald bedeuteten könnte – Einschätzungen und Meinungen

Zwei Wölfe laufen gemeinsam in eine Fotofalle bei St. Blasien - ein Überblick was das für die Region bedeuten könnte:

Das Foto der beiden Wölfe (13. Februar 2023) könnte den offiziellen Auftakt zum ersten Wolfsrudel im Schwarzwald darstellen. Denn die Einschätzung von Fachleuten ist, dass es sich bei den beiden Tieren auf dem Foto mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um ein Pärchen handelt. Was würde ein Rudel für den Südschwarzwald bedeuten? Und wäre es eher ein Segen für den Tierschutz oder eine Gefahr für Schafe, Ziegen und Rinder? Diese und weitere Fragen, Meinungen und Einschätzung hierzu in einer Übersicht:

Warum erregt das Foto aus der Schluchsee-Region so viel Aufsehen?

Die Zahl der Wölfe nimmt zwar zu, aber Baden-Württemberg ist trotz des Schwarzwalds noch ein Durchgangsland für das Raubtier. In Deutschland gibt es insgesamt bereits 160 Wolfsrudel und über 40 Paare - aber keine dieser Gruppen lebt bislang im Südwesten. Es wird aber seit vielen Jahren auch in Baden-Württemberg damit gerechnet, dass nicht nur männliche Wölfe zuwandern und es zu Paar- und Rudelbildungen kommen wird. «Das Paar auf dem Foto überrascht mich nicht, das war nicht anders zu erwarten», sagt Markus Rösler, Naturschutz-Experte der baden-württembergischen Grünen und Wolfsbotschafter des Naturschutzbundes Deutschland (NABU).

Warum sind Experten überzeugt, dass es sich auf dem Foto um ein Paar handelt?

Micha Herdtfelder, Leiter des Arbeitsbereichs Luchs/Wolf bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg, ist sicher, dass das Bild der Fotofalle einen Rüden und eine zugewanderte Fähe zeigt. «Rüden sind nicht gemeinsam unterwegs. Sie würden zu zweit und als Konkurrenten auch anders miteinander umgehen», sagt der Wildtierbiologe. Unklar sei aber, ob es sich bei dem mutmaßlichen Weibchen um das zuletzt nachgewiesene Raubtier aus dem Münstertal (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) handelt.

Und was spricht für eine Rudelbildung?

Vor allem die Jahreszeit spricht dafür. Denn zwischen Februar und April, in der sogenannten Ranzzeit, paaren sich Wölfe. «Deshalb ist auch anzunehmen, dass sie ein Rudel bilden, sollten sie zusammenbleiben», sagt Herdtfelder. «Biologisch gesehen ist das ein völlig normaler Prozess. Es überrascht mich eher, dass es in Baden-Württemberg so lange dauert.»

Wie geht es weiter?

Die Experten warten nun gespannt auf die Bilder der Fotofallen im Südschwarzwald in den kommenden Wochen. Denn bleibt eine Fähne drei Monate mit einem Rüden zusammen, gilt sie als territorial. Und markieren sie zu zweit ihr Revier, hinterlassen sie also eine Urinspur, wird dies als Paarbildung gewertet. «Wir überprüfen jetzt intensiv», sagt Herdtfelder. Ein Rudel besteht aus einem Paar und mindestens einem Nachwuchs.

Schäfer und Rinderzüchter sind wenig begeistert, oder?

Das stimmt. Denn der Wolf hat keine natürlichen Feinde und steht in Deutschland als streng geschützte Art unter Naturschutz. Ein Abschuss (Entnahme) ist verboten, es sei denn, die eigentlich Menschen gegenüber scheuen Wölfe verhalten sich aggressiv. «Wenn Wölfe über das Ziel hinausschießen, wenn sie zum Beispiel wiederholt über den Zaun springen, dann muss man sie auch abschießen», sagt Grünen-Experte Rösler. Er schwört aber auf den Herdenschutz: «In Brandenburg gehen 71 Prozent der Risse auf einen nicht ausreichenden Schutz zurück», sagt er. «Wenn ein Schutz da ist und er gut ist, dann gibt es nur in Ausnahmen Probleme.» NABU-Landeschef Johannes Enssle sieht das ähnlich. Weidetierhalterinnen und -halter müssten auch weiterhin bei der Umsetzung des Herdenschutzes unterstützt werden, fordert er.

Warum machen sich Viehhalter dann Sorgen?

Sie sind alarmiert, weil der Herdenschutz ihrer Ansicht nach nicht flächendeckend möglich ist. «Herdenschutzmaßnahmen schützen nicht immer zu 100 Prozent», sagte die Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbands, Anette Wohlfarth. «Wenn sich der Wolf weiter ausbreitet, ist das eine existenzielle Bedrohung für die Weidetierhaltung.» Die Schafzüchter fordern eine Obergrenze. «Wölfe, die übergriffig sind, müssen umgehend und ohne bürokratischen Aufwand entnommen werden.»

Und die Politik?

Das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium sind sich da nicht einig. Während das Umweltressort auf den auch finanziell vom Land unterstützten Herdenschutz durch Zäune und Hunde verweist, hält Agrarminister Peter Hauk (CDU) diesen nicht mehr für ausreichend. «Da sich die Wölfe derzeit in der Ranz befinden, bedeutet das aus unserer Sicht Alarmstufe Rot für Mensch, Weidetier und die Biodiversität im Schwarzwald», sagt er. Hauk fordert beherzte Entscheidungen. «Immer nur die Maßnahmen für Herdenschutz vorzuschieben, reicht nicht mehr aus», sagt er. In einem dicht besiedelten, touristischen Gebiet wie dem Schwarzwald wäre ein Wolfsrudel nach seiner Einschätzung nicht tragbar.

Wie viele Wölfe gibt es denn derzeit in Baden-Württemberg?

Die genaue Zahl ist nicht bekannt, aber drei männliche Tiere gelten im Südwesten derzeit als sesshaft. Das heißt, nach sechs Monaten ist ein Nachweis erneut einem bestimmten Exemplar zugewiesen worden. Zuletzt war erstmals auch ein weiblicher Wolf, eine sogenannte Fähe, genetisch nachgewiesen worden. Im bundesweiten Vergleich ist das allerdings ziemlich wenig: In Deutschland leben insgesamt 161 Wolfsrudel, 43 Paare und 21 sesshafte Einzeltiere (Stand November 2022).

(dpa/mt)