Coronavirus, Coronatest, Antigen-Schnelltest, Testzentrum, Pandemie, © Peter Kneffel - dpa

Das bedeuten die neuen Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern für Ihren Alltag

+++Update vom 11.08.2021+++

Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat am Mittwoch (11.08.2021) angekündigt, dass es abweichend von den konkreten Beschlüssen des Gipfels schon ab kommendem Montag (16.08.2021) die Bedeutung des Inzidenzwertes für die weitere Bekämpfung der Pandemie in den Hintergrund rücken möchte.

Dann sollen wieder deutlich mehr Menschen am öffentlichen Leben teilnehmen können, egal wie hoch die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis ist. Grundvoraussetzung dafür sind aber die so genannten 3G-Regeln: Für den Restaurantbesuch, den Frisörtermin oder das Tanzen im Club wären da ein negativer Coronatest, eine vollständige Impfung oder ein Genesenennachweis notwendig.

Ursprungsmeldung:

Um gegen die Corona-Pandemie und die Virusvarianten auch im Herbst weiterhin die Oberhand behalten zu können, erhöhen Bundesregierung und Länder noch ab August schrittweise den Druck auf bisher ungeimpfte Menschen in Deutschland.

Beim Corona-Gipfel am Dienstag (10.08.2021) haben sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Merkel auf neue Regeln für die kommenden Wochen und Monate geeinigt, die auch für viele Menschen in Baden massive Auswirkungen im Alltag haben dürften.

Vom Wegfall von kostenlosen Bürgertests, über eine Testpflicht beim Einkaufen, Essengehen oder beim Kinobesuch, bis hin zur neue Rolle des Inzidenzwerts: baden.fm hat hier die wichtigsten Änderungen für Sie noch einmal zusammgefasst.

In Innenräumen bald grundsätzlich Nachweis über Negativtest, Impfung oder Genesung erforderlich

Spätestens ab dem 23. August tritt überall dort, wo Menschen im öffentlichen Leben in Innenräumen zusammenkommen, ab einer 7-Tage-Inzidenz von 35 und darüber automatisch die 3G-Regel in Kraft. Egal ob ein Restaurantbesuch, die Shoppingtour im Einkaufszentrum, der neue Haarschnitt beim Frisör oder das Trainieren im Fitnessstudio - überall dort wird dann für Kunden, Gäste und Besucher ein Nachweis über vollständige Impfung, Genesung oder ein negativer Coronatest zur Pflicht.

Betroffen von diesem Beschluss wären auch Schwimmbäder, Kliniken, Pflegeheime, Konzerte in Indoor-Locations oder Sporthallen. Bei Übernachtungsbetrieben braucht es für Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene bei der Anreise einen Nachweis und danach zwei Mal pro Woche auch während des Aufenthalts.

Die einzelnen Bundesländer haben die Freiheit, bei stabilen niedrigeren Inzidenzwerten Ausnahmen von diesen Regeln zu schaffen. Liegt die Inzidenz über 35, soll automatisch die neue Vorgabe des Bundes greifen.

Ende der kostenlosen Bürgertests für die allermeisten Bevölkerungsgruppen

Vor diesem Hintergrund werden vor allen Dingen die kostenlosen Testmöglichkeiten deutlich eingestampft. Voraussichtlich ab dem 11. Oktober 2021 sollen alle Menschen selbst für die Kosten eines Antigen-Schnelltests aufkommen müssen, falls sie nicht zu der Gruppe gehören, die noch kein Impfangebot erhalten haben. Dazu zählen beispielsweise Schwangere oder Kinder, für die noch keine generelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission vorliegt.

Und auch bei den Vorerkrankten, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht gegen das Coronavirus immunisieren lassen können, möchte auch weiterhin der Staat die Kosten für regelmäßige Tests übernehmen. Alle anderen werden dann aber selbst zur Kasse gebeten.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verteidigte diese Entscheidung konsequent: Er sagte, es sei richtig, diesen Schritt zu gehen. Tests ließen sich leicht durch Impfen umgehen - dafür seien nun acht Wochen Zeit. Wer das Angebot nicht annehme, könne nicht erwarten, dass die Solidargemeinschaft weiter die Kosten trage.

Unangetastet vor diesem gesamten Vorstoß bleiben voraussichtlich zwei Bereiche: Nämlich das Angebot von Tests am Arbeitsplatz, die es auch weiterhin geben soll, auch wenn eine konkrete Entscheidung dazu noch aussteht. Und zweitens die regelmäßigen Testungen an Schulen für Kinder und Lehrer.

Bundeskanzlerin bittet um Mithilfe, um im eigenen Umfeld für Schutzimpfung zu werben

Auch wenn es weiterhin keine generelle Impfpflicht in Deutschland geben soll, dürfte gerade der Wegfall kostenlose Coronatests den Druck auf ungeimpfte Menschen im Alltag massiv erhöhen. Gleichzeitig appellieren Bund und Länder jetzt noch vor dem Herbst schnellstmöglich die leichter erreichbaren Impfmöglichkeiten mit und ohne Termine wahrzunehmen.

Bisher sind gerade einmal 55,1 Prozent aller Einwohner Deutschlands vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Für eine Herdenimmunität bräuchte es wegen der leichteren Übertragbarkeit der Delta-Variante einen Wert von bis zu 80 Prozent, um auch alle anderen Menschen zuverlässig vor einer Ansteckung und der damit verbundenen Gefahr schwerer Verläufe zu schützen.

Bundeskanzerin Merkel bat deshalb alle bereits Geimpften, gerade jetzt nach den Sommerferien unbedingt in ihrem Freundes-, Familien- und Bekanntenkreis persönlich für die Schutzimpfung zu werben.

Inzidenzwert soll an Bedeutung verlieren - genaue Entscheidung steht dazu noch aus

Keine Entscheidung haben die Vertreter der Länder bei den Verhandlungen mit der Bundeskanzlerin bei der Frage getroffen, welche Rolle der Inzidenzwert in Zukunft für alle weiteren Maßnahmen noch spielen soll. Kritiker, zu denen in diesem Fall auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (GRÜNE) zählt, sahen die Aussagekraft des bisherigen Werts von Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner angesichts der steigenden Impfquote getrübt.

Je mehr Menschen eine vollständige Immunisierung gegen das Coronavirus erhalten haben, desto kleinere Bereiche würde der Inzidenzwert nur noch abbilden - nämlich vor allem die Ungeimpften, wenn man davon ausgeht, dass die Schutzimpfungen tatsächlich einen Großteil von Übertragungen oder Infektionen verhindern können.

Gegenvorschlag war deshalb, weitere Maßnahmen künftig zusätzlich auch von weiteren Faktoren abhängig zu machen wie etwa der genauen Auslastung der Intensivstationen an den Krankenhäusern im jeweiligen Landkreis. Konkrete Beschlüsse hierzu haben Bund und Länder am Dienstag aber vertagt. Bis dahin sollen erst einmal "alle Indikatoren", die zur Verfügung stehen beobachtet werden. Dazu zählen neben dem Inzidenzwert etwa auch die Impfquote, schwere Krankheitsverläufe und die Belastung des Gesundheitswesens.

Ganz allgemein wurde bei dem Gipfel noch einmal der Rahmen für alle weiteren Schritte erweitert: Die bisherige "epidemische Lage von nationaler Tragweite" bleibt als Rechtsgrundlage für die meisten Maßnahmen auch über den 11. September hinaus weiterhin erhalten, so der Konsens. Darüber soll in Kürze der Bundestag entscheiden. Damit blieben auch weitere Regeln wie die Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen bis auf Weiteres erhalten.

Gemischte Reaktionen in Baden-Württemberg zu den Entscheidungen aus Berlin

In Baden-Württemberg hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (GRÜNE) die Ergebnisse des Gipfels zum künftigen Umgang mit Geimpften und Ungeimpften ausdrücklich begrüßt. Menschen mit vollständiger Impfung oder die bereits eine Covid-19-Erkrankung durchgemacht haben, erhalten aus seiner Sicht damit einen Großteil ihrer Freiheiten und Grundrechte zurück. Nichtgeimpfte müssten einen negativen Coronatest vorweisen.

Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraus (CDU) lobte die vereinbarte Verlängerung der Wirtschaftshilfen und der Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld. Diese Maßnahmen sollen den Unternehmen im Südwesten auch weiterhin zur Verfügung stehen, um Arbeitsplätze während der Krise sichern zu können und die betroffenen Betriebe zu stabilisieren.

Gastronomie spricht von deutlichem Rückschritt und befürchtet Gäste- und Umsatzeinbußen

Scharfe Kritik kommt unter anderem aus der Gastronomie in Baden: Dort sehen sich viele Wirte erneut vor einem drohenden Aus. Nachdem die Rückkehr der meisten Gäste seit Ende des Lockdowns erst in den letzten Wochen nach und nach wieder angelaufen sei, befürchten sie unter anderem erneut massive Umsatzeinbußen und noch größere Personalprobleme, weil sich gerade im Servicebereich angesichts erneut drohender Kurzarbeit viele Mitarbeiter Jobs in anderen Berufsfeldern suchen würden. Die Rückkehr zu den 3G-Regeln im Innenbereich würde aus ihrer Perspektive viele Restaurants, Cafés, Bars und andere Gaststätten an den Rand ihrer wirtschaftlichen Existenz befördern.

Das deckt sich im Groben auch mit den Befürchtungen die viele Gastronomen hier in Südbaden jetzt ganz konkret vor Ort in ihren Gaststätten haben. Einer von ihnen ist Thomas Ketterer vom traditionsreichen Restaurant Ketterers Rebstock in Heuweiler im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald.

Im baden.fm-Interview berichtet er davon, wie innerhalb weniger Jahre von insgesamt sieben Wirtshäusern in der Gemeinde nur noch seines als einziges übrig geblieben ist. Auch er stellt sich jetzt mit seinem Team darauf ein, wegen der neuen Beschränkungen wieder deutlich weniger Gäste in seinen verwinkelten historischen Wirtsstuben unterbringen zu können.

Darüber hinaus werden zusätzlich zu Maßnahmen wie Plexiglasscheiben zwischen den Tischen auch wieder extra Personal notwendig, die sich um die Überprüfung von Impf-, Test- und Genesenennachweisen kümmern. Ketterer ist stolz darauf, dass er in seinem Team wegen des starken und treuen Kundenstamms alle Mitarbeiter während der letzten beiden Lockdowns halten konnte. Doch die Aussichten seien für beide Seiten angesichts der erneut drohenden Kurzarbeit nicht gerade rosig.

Thomas Ketterer (Ketterers Rebstock Heuweiler): "Das ist natürlich ein Rückschlag auch finanziell gesehen, weil alles wieder von Vorne anfängt"
Fabian Weihrauch (Restaurant der Kulturen Emmendingen): "Wenn es nur die 3G-Regel ist, können wir damit leben, wir haben es vorher schon gehabt."

Nicht ganz so wild findet Fabian Weihrauch vom Emmendinger Restaurant der Kulturen die Rückkehr zu den 3G-Regeln in der Gastronomie, falls die Inzidenzzahlen weiter steigen sollten. Dort habe man das Hygienekonzept ohnehin in weiten Teilen beibehalten. Doch auch hier ist das Thema personeller Mehraufwand ein großes.

Auswirkungen auch bei körpernahen Dienstleistungen oder im Freizeit- und Sportbereich

Etwas weniger Unsicherheiten lassen sich als erste Reaktion aus dem Bereich der so genannten körpernahen Dienstleistungen in der Region heraushören, zu denen unter anderem auch die Frisöre und Barbershops gehören. Frisörmeister Gianni Salerno von Haarmani in Freiburg berichtet im baden.fm-Interview davon, dass in seinem Salon und vielen seiner Berufskollegen die strikten Hygienevorgaben ohnehin über den zweiten Lockdown hinaus in den letzten Monaten weitergeführt wurden.

Dadurch würde sich in der Praxis im Vergleich zu heute durch die neuen Bestimmungen gar nicht so viel ändern. Bei der Kontrolle der 3G-Vorgaben hält er zusätzlich zu Kontrollen auch ein Grundvertrauen in den eigenen Kundenstamm für sehr wichtig.

Auf unsere Anfrage bei verschiedenen Kino- und Fitnessstudiobetreibern in Baden wollte oder konnte sich bis zum späten Dienstagabend noch niemand genauer zu den beschlossenen Corona-Maßnahmen äußern. Viele möchten erst einmal abwarten, wie genau die Landesregierung in den kommenden Tagen auf die Beschlüssen vom Bund-Länder-Gipfel reagieren wird und ob dort möglicherweise Ergänzungen oder genauere Detailregelungen hinzukommen.

(fw) / dpa