Sicherheitspartnerschaft, Freiburg, Polizei, Gemeindevollzugsdienst, © Patrick Seeger - dpa

Schockanrufe, Cybercrime und Messer – Kriminalstatistik für Baden-Württemberg

Diese Themen machen dem baden-württembergischen Innenminister Strobl Sorgen

Schockanrufe, Cyberkriminalität und Angriffe auf Rettungskräfte und Polizisten - diese drei Themen bereiten Innenminister Thomas Strobl (CDU) besondere Sorgen. Denn während die Kriminalitätszahlen in vielen Bereichen in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind, werden diese Bereiche zu immer größeren Problemen. Das geht aus der Kriminalstatistik der Polizei für 2022 hervor, die Strobl am Donnerstag (23.03.2023) gemeinsam mit Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz in Stuttgart vorstellte. Erstmals erfasst die Statistik außerdem Taten, die unmittelbar mit einem Messer verübt wurden - bislang gab es nur Auskunft darüber, ob eine Täterin oder ein Täter ein Messer dabei hatte.

Insgesamt wurden im Südwesten im vergangenen Jahr 550.008 Straftaten erfasst, 4,1 Prozent weniger als noch im Jahr 2019. Die Jahre der Corona-Pandemie gelten zumindest in einigen Bereichen als weniger vergleichbar, da dort - vor allem während der Lockdowns - die Kriminalität zurückging.So gab es etwa weniger Taschendiebstähle, auch weil die Läden nicht regulär geöffnet hatten, oder weniger Einbrüche, da die Menschen viel mehr daheim waren.

"Kein Kriminalitätsphänomen entwickelt sich so dynamisch wie Cybercrime."

Cyberkriminalität macht zwar mit einem Anteil von zwei Prozent nur einen recht kleinen Teil der Gesamtkriminalität aus, dem Innenminister bereitet das aber dennoch Sorgen. "Noch einmal klar und deutlich: Kein Kriminalitätsphänomen entwickelt sich so dynamisch und so gefährlich wie Cybercrime", sagte Strobl eindringlich. Die erfassten Fälle seien im vergangenen Jahr um 3,7 Prozent im Vergleich zu 2021 angestiegen und lagen mit 11 144 auf einem Zehnjahreshoch. Die Corona-Jahre könnten dabei als eine Art Katalysator gewirkt haben, weil sich so vieles ins Netz verlagert hat. Cyberangriffe auf die Wirtschaft könnten ganze Existenzen bedrohen, sagte Strobl.

Mehr als 60 Prozent Anstieg bei Enkeltrick- und Schockanrufen

Auch die Zahl sogenannter Enkeltrick- und Schockanrufe stieg im vergangenen Jahr stark an. Insgesamt wurden 2022 genau 18.549 solcher betrügerischen Anrufe in Baden-Württemberg erfasst - das war ein Anstieg von 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 95 Prozent dieser Straftaten blieben allerdings im Versuchsstadium. Dennoch stieg auch der entstandene Schaden stark an: im Vergleich zum Vorjahr um 36,1 Prozent auf 20,6 Millionen Euro. Solche Anrufe seien besonders beschämend, "weil sie in besonders perfider Art und Weise mit den Ängsten der Menschen spielen", sagte Strobl.

Die Taten hätten schwere Folgen für die Betroffenen, auch in emotionaler Hinsicht, sagte Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz. Viele schämten sich sehr, wenn ihnen so etwas passiert sei - dabei gingen die Täter hochprofessionell vor. Da die Drahtzieher meist im Ausland säßen, sei man hier auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen angewiesen, um den Hintermännern das Handwerk zu legen.

"Alarmierender Höchststand" bei Gewalt gegen Einsatzkräfte

Erst am Mittwoch wurde ein Polizist in Reutlingen bei einer "Reichbürger"-Razzia angeschossen - und das ist längst kein Einzelfall. Die Zahl der Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten stieg im Vergleich zum Vorjahr um 8,3 Prozent auf 5467 Straftaten - ein "alarmierender Höchststand", wie Strobl betonte. Das sei ein Thema, das ihn persönlich besonders schmerze. 2.687 Beamte wurden dabei verletzt. Auch Rettungskräfte werden immer öfter Ziel von Angriffen, hier stieg die Zahl der Straftaten sogar um 20,3 Prozent auf 225. 104 Menschen wurden dabei verletzt. Der Vize-Regierungschef sprach von "Verrohung". Es brauche dringend eine gesellschaftliche Kraftanstrengung und eine gesamtgesellschaftliche Kurskorrektur.

Erstmals auch Zahlen zu Messerangriffen in der Statistik

19 Menschen wurden im vergangenen Jahr bei Messerangriffen in Baden-Württemberg tödlich verletzt. Insgesamt erfassten die Behörden bei 2727 Messerangriffen mehr als 3300 Opfer. Die Statistik weist für 2022 erstmals Messerangriffe aus - dazu zählen Taten, "bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wurde", erklärte Innenminister Strobl. Fast neun von zehn dieser Fälle (86,8 Prozent) klärte die Polizei auf.

Bislang gab es nur eine Statistik zu Fällen, die im Zusammenhang mit dem "Tatmittel Messer" stehen: Dazu zählen dann auch Fälle, in denen ein Täter ein Messer bei sich hatte, aber dieses nicht direkt einsetzte - also beispielsweise bei einer Schlägerei. Davon gab es laut Statistik im vergangenen Jahr 1861 Fälle. SPD-Innenexperte Sascha Binder bemängelte, dass keine Zahlen zu Straftaten mit Schusswaffen explizit ausgewiesen wurden. "Die vielen Fälle, bei denen in den vergangenen Monaten Menschen durch Schusswaffen verletzt wurden, zeigen, dass wir es mit einer großen Gefahr für die Bevölkerung zu tun haben", sagte Binder.

Überdurchschnittlich, aber nicht gut genug - Kritik von der Gewerkschaft

Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, zeigte sich besorgt mit Blick auf die Bereiche, in denen die Fallzahlen anstiegen. Die Aufklärungsquoten seien zwar überdurchschnittlich, aber das reiche nicht aus. «Jeder Bürger weiß, dass die Polizei erfolgreicher sein könnte, wenn sie eine bessere Ausstattung und mehr Personal hätte», kritisierte Kusterer. Die Polizei sei "komplett unterfinanziert".

(dpa/br)