Lehrerin, Unterricht, Klassenzimmer, Grundschule, Lesen, Schreiben, Rechtschreibung, © Sebastian Gollnow - dpa (Symbolbild)

Kretschmann rudert nach massiver Kritik an Arbeitszeit-Idee für Lehrer zurück

Der Ministerpräsident sprach sich dafür aus, dass Teilzeit-Lehrkräfte jeden Tag eine Stunde länger arbeiten sollten

Der Vorschlag von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (GRÜNE) zu längeren Arbeitszeiten an den Schulen stößt auf heftigen Gegenwind. Gewerkschaften sind empört, weil der Regierungschef eine zusätzliche Stunde für Lehrkräfte ins Spiel gebracht hat, um eine bessere Bildung im Land zu gewährleisten. Aber auch Berufsverbände zeigen ihm die Rote Karte und werfen der Landesregierung vor, nicht schon vor Jahren mehr Geld in den Ausbau von Stellen gesteckt zu haben. Am Tag danach ist der Landesvater am Dienstag (26.04.2022) nun wieder ein Stück weit zurückgerudert.

Die Freiburger Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW Monika Stein nannte die Idee "total daneben". Teilzeit-Lehrkräfte würden nicht deshalb weniger arbeiten, weil es Spaß mache, weniger Geld zu verdienen, sondern weil es für sie notwendig ist, in Teilzeit zu arbeiten, um ihren Beruf gut ausüben zu können. Dabei geht es aus Steins Sicht vor allen Dingen auch um den Anspruch, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen.

Philologen-Chef spricht von Lehrern und Schülern als "Kretsch-Test-Dummies"

Ähnlich sieht das Gerhard Brand vom Verband Bildung und Erziehung. Er bemängelt, dass das Thema Arbeitszeit ausgerechnet in einer Phase aus der Schublade geholt werden, in der viele Lehrer wegen der Pandemie und des Ukrainekriegs ohnehin schon lange ohne Murren bis zum Anschlag gearbeitet hätten. Er hält Kretschmanns Vorschlag für nicht praxistauglich, auch wenn es nun etwa gerade eine große Welle der Hilfsbereitschaft für die tausenden ukrainischen Flüchtlingskinder im Land gibt - gerade von pensionierten Lehrkräften und Lehramtsstudenten.

Ralf Scholl vom Philologenverband bezeichnete Kretschmanns Vorstoß als unverantwortlich. Als Schüler oder Lehrer in Baden-Württemberg fühle man sich seiner Ansicht nach mittlerweile als "Kretsch-Test-Dummy": Er behauptet, man werde ins Schulsystem gepackt und das lasse die Landesregierung dann gegen die Wand fahren.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes Heinz-Peter Meidinger hält zwar einen Appell für freiwillige Mehrarbeit für sicherlich erlaubt. Deutschland bräuchte aber momentan wahrscheinlich über 20.000 zusätzliche Lehrkräfte und niemand weiß, wo diese herkommen könnten. Auch ukrainische Lehrer seien zwar eine Hilfe, könnten aber nicht die Lösung des Problems bringen.

Ministerpräsident verwies auf hohen Lehrerinnen-Anteil in Teilzeit-Beschäftigung

Kretschmann hatte auf einer Podiumsdiskussion am Montagabend längere Arbeitszeiten für Lehrkräfte im Land ins Gespräch gebracht, um die Bildung im Land zu erhöhen. Er betonte, dass viele Lehrkräfte Frauen seien und viele von ihnen in Teilzeit arbeiten würden. Wenn von ihnen alle eine Stunde mehr arbeiten würden, dann hätte er 1.000 Lehrer mehr, die er dringend brauche, sagte der Regierungschef. Außerdem sieht er bei den Schulen eine zentrale Rolle im Kampf gegen den anhaltenden Fachkräftemangel in der Wirtschaft.

Nach der massiven Kritik hatte Kretschmann am Dienstagmittag bei der Regierungspressekonferenz eingeräumt, dass es sich bei seinem Vorschlag um eine spontane Äußerung gehandelt habe, die er aus nachträglicher Sicht besser gelassen hätte.

Im Südwesten arbeiten rund 110.000 Lehrkräfte an den allgemeinbildenden Schulen. Vor allem an den Grundschulen ist der Anteil von Frauen dabei im Schnitt überproportional groß.

(fw) / dpa