Impfung, Impfausweis, Impfpass, Hausarzt, © Christian Klose - dpa (Symbolbild)

Gesundheitsexperte Dr. Böhler aus Freiburg beantwortet Ihre Corona-Fragen im Radio

Trotz aller Erfahrungen im Umgang mit dem Virus haben viele noch immer wichtige Fragen – und die gilt es nun zu beantworten

Schon seit fast anderthalb Jahren haben wir nun in Südbaden Erfahrungen mit der Coronavirus-Pandemie sammeln müssen. Dabei konnten Wissenschaftler bereits umfassende Erkenntnisse über den Erreger gewinnen und auch die Schutzimpfungen haben inzwischen deutlich an Tempo angezogen.

Trotzdem sind viele Fragen rund um das Thema ungeklärt und bei den Punkten, die wir über Corona wissen, kann es manchmal ganz schön anstrengend sein, den Überblick zu behalten.

baden.fm hat deshalb am Mittwoch (19.05.2021) den Allgemeinmediziner Dr. Steffen Böhler aus Freiburg eingeladen. Er betreibt im Stadtteil Hochdorf eine Corona-Schwerpunktpraxis und steckt dort gerade mitten in den Impfungen.

Wir haben im Vorfeld Fragen unserer Hörer und User rund um das Coronavirus gesammelt und den Gesundheitsexperten darum gebeten, die wichtigsten davon für Sie zu beantworten.

Den ganzen Tag über werden die Antworten im Radio bei baden.fm zu hören sein. Eine Auswahl haben wir außerdem hier für Sie zusammengefasst:

Welchen Impfstoff würden Sie spontan den meisten Ihrer Patienten empfehlen?

In Dr. Böhlers Augen ist der Comirnaty-Impfstoff der Hersteller Biontech und Pfizer bisher der am besten verträglichste. Das kommt aber ganz stark darauf an, was im einelnen Fall überhaupt möglich ist. Mit Ausnahme von jungen Frauen, die vielleicht zusätzlich auch noch die Anti-Baby-Pille nehmen, würde Dr. Böhler ganz unabhängig jedem dazu raten, sich überhaupt mit einem der verfügbaren Vakzine gegen das Coronavirus immunisieren zu lassen. Welcher das am Ende ist, sei in der medizinischen Abwägung von Risiken und Nutzen abgesehen von dieser Gruppe in der Regel nicht so wichtig.

Wie ernst sind aktuelle Warnungen zu nehmen, dass das Infektionsgeschehen zum Herbst noch einmal anziehen könnte?

Verschiedene Virologen, darunter auch Charité-Professor Christian Drosten, rechnen damit, dass bis zum Ende des Jahres jeder Mensch in Deutschland ohne Impfung einen Kontakt mit einer Variante des Coronavirus haben wird – inklusive möglicher gesundheitlicher Folgen.

Das ließe sich zu diesem Zeitpunkt der Pandemie trotz aller Maßnahmen nicht mehr verhindern, davon ist auch Dr. Böhler überzeugt.

Wie groß ist die Chance, auch ohne Impfung um eine Covid-19-Infektion herumzukommen?

In Richtung der Menschen, die sich bisher bewusst gegen eine Corona-Schutzimpfung entscheiden und damit eine Covid-Infektion in Kauf nehmen, hat der Hochdorfer Hausarzt eine klare Botschaft: Der Erreger sei sehr speziell und so gut getarnt, weil er schon lange übertragbar ist, bevor die ersten Symptome auftreten.

Daher kann man sich ohne Impfung kaum auf lange Sicht dagegen schützen, wenn man sich nicht gerade mit entsprechender medizinischer Maske alleine irgendwo einbunkert – und das möchten am Ende natürlich nur die wenigsten.

Bei den täglichen Kontakten einfach nur aufzupassen, wird irgendwann nicht mehr ausreichen, weil das Virus dann noch deutlich stärker in der Bevölkerung verbreitet sein wird, und zwar in zahlreichen genetischen Varianten.

Bei welchen der neu zugelassenen Impfstoffe sehen Sie denn weitere Vorteile?

Hochinteressant findet Dr. Böhler den neu in Deutschland zugelassenen Impfstoff von Johnson & Johnson, der nun schon bald in größerer Menge als bisher auch in Südbaden zum Einsatz kommen soll. Großer Vorteil wäre es aus Sicht des Mediziners, dass hier auf die Zweitimpfung verzichtet werden kann und schon nach einer einzigen Spritze nach gewisser Zeit ein vollständiger Impfschutz gegen das Coronavirus aufgebaut wird.

In vielen Arztpraxen wird er vor diesem Hintergrund auch deshalb eine wichtige Rolle spielen, weil sie dann bis zu den Sommerferien impfen können, was das Zeug hält, ohne Impfstoffdosen für die Auffrischung zurückhalten zu müssen.

Klinische Studiendaten gehen bei dem Impfstoff von einer Schutzwirkung von 66 Prozent aus. Das heißt, dass es das Produkt des US-amerikanischen Unternehmens rechnerisch zu zwei Dritteln der untersuchten Fälle geschafft hat, eine Covid-19-Infektion komplett zu verhindern.

In den Fällen, wo sich die Probanden trotzdem damit angesteckt haben, traten dennoch deutlich weniger schwere Verläufe auf, sagt Dr. Böhler.

Gleichzeitig ist das Risiko, als Nebenwirkung eine extrem seltene, aber grundsätzlich gefährliche Sinusvenenthrombose zu entwickeln, hier noch etwas geringer als beispielsweise bei AstraZeneca oder auch Biontech. Bei Johnson & Johnson kamen sie bisher nur bei sehr wenigen jungen Frauen vor. Das Risiko, während einer Coronainfektion eine riskante Thrombose zu entwickeln ist nach Einschätzung des Hausarztes um ein Vielfaches größer.

Wie häufig muss ich auch nach meiner Erst- und Zweitimpfung mit regelmäßigen Auffrischimpfungen wie beim Grippevirus rechnen?

Zu der Frage, in welchem zeitlichen Abstand solche möglichen Auffrischungen notwendig sein werden, dazu laufen aktuell Studien. Dr. Böhler betont dabei, dass es momentan noch keine klaren Grenzlinien gibt, ab welchem Wert von Antikörpern im menschlichen Körper so eine erneute Impfung noch einmal empfohlen wird.

Bis zum Ende des Jahres dürfte die wissenschaftliche Datenlage da schon deutlich weiter sein. Nach den Erfahrungen der meisten Vakzin-Hersteller sieht es erst einmal nicht danach aus, als ob man schon alle sechs Monate wieder eine Spritze benötigt, um den Impfschutz aufrecht zu erhalten.

Ausnahme dürfte aber die erste Auffrischung nach der erfolgreichen Grundimmunisierung sein. Hier glaubt der Mediziner, dass anfangs noch eine Auffrischimpfung nach einem halben Jahr sinnvoll sein könnte – danach könnte der Abstand möglicherweise auf ein Mal pro Jahr ausgeweitet werden. Das sind zum jetzigen Zeitpunkt aber noch ganz klar Spekulationen.

Werde ich vor der Impfung eigentlich untersucht, um zu wissen, ob ich möglicherweise anfällig für bestimmte Risiken sein könnte?

In den Hausarztpraxen ist wie in den Impfzentren dafür kein umfassender Gesundheitscheck vorgesehen, sondern lediglich ein Aufklärungsgespräch, bei dem aber mögliche bekannte Vorerkrankungen unbedingt zur Sprache kommen sollten.

Vor dem Pieks müssen die Impfwilligen außerdem eine Reihe an Fragebögen ausfüllen, in denen es auch um den gesundheitlichen Zustand geht. Dort sind unter anderem mögliche Infektionen, Allergien oder vorangegangene Impfungen vermerkt.

Ist das alles korrekt angekreuzt und tauchen dort keine Fragen oder Gegenanzeigen auf, läuft die Aufklärung in der Praxis danach in den meisten Fällen ziemlich rasch ab, so Dr. Böhler. Hinzu kommen ausführliche Aufklärungsunterlagen in schriftlicher Form:

Auf vier Din A4-Seiten können die Menschen vor der Impfung alle wichtigen Punkte vorher noch einmal nachlesen. Ob sie das auch getan haben, fragt der Impfarzt noch einmal nach, bevor er zur Tat schreitet. In den meisten Fällen beantworten das die Impfwilligen mit Ja, sodass nur selten intensivere Gespräche notwendig wären.

Sollte ich mich auch nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung trotzdem impfen lassen?

Hier gibt es eine klare Empfehlung des Robert-Koch-Instituts. Zwar gelten komplett Genesene bei den jüngsten Lockerungen wie Restaurantbesuchen oder Übernachtungen in Hotels genau wie vollständig Geimpfte oder negativ Getestete.

Weil es weltweit aber schon Fälle von erneuten Ansteckungen mit dem Coronavirus nach dem Überstehen der Krankheit gab, empfiehlt das RKI allen Genesenen eine Impfung zum Zeitpunkt von sechs Monaten nach dem Ende der letzten Symptome, beziehungsweise nach dem ersten Negativnachweis.

Seit dem Wegfall der Priorisierungsgruppen beim Hausarzt ist es wieder schwieriger geworden, einen Termin zu bekommen. Wann wird sich das wieder ändern?

Auf die meisten Praxen der niedergelassenen Ärzte ist durch die Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums ein großer Ansturm von impfwilligen Patienten zugekommen.

Weil nun gleichzeitig aber auch bei vielen schon die Zweitimpfungen anstehen, reichen die gelieferten Mengen an Impfstoffen momentan in den meisten Fällen nicht mehr aus, um auch noch die Erstimpfungen mit versorgen zu können.

Ändern dürfte sich die Lage daher nicht nur, wenn der erste Andrang vorbei ist und alle einen Termin haben, sondern auch erst dann, wenn zusätzliche Lieferungen der vorhandenen Impfstoffe kommen und gleichzeitig auch noch neue auf dem europäischen Markt zugelassen werden.

Dr. Böhler rechnet damit, dass voraussichtlich Ende Juni wieder mehr Termine für Erstimpfungen möglich sein werden, das muss sich aber erst noch zeigen.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag beschäftigt sich mit individuellen Fragen zu einem Gesundheitsthema. Die Inhalte stammen aus einem Gespräch mit einem Facharzt für Allgemeinmedizin. Sie können aber vor allem beim Auftreten von Beschwerden nicht eine individuelle ärztliche Beratung und Untersuchung ersetzen. Wer bei sich beispielsweise Krankheitssymptome beobachtet, sollte sich im Zweifelsfall an seinen Haus- oder Facharzt wenden.

(fw)