Atomkraftwerk, Fessenheim, BUND, © baden.fm

Fessenheim-Gegner von TRAS stellen französische Atomaufsicht in Frage

Die Atomkraftgegner aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz fordern weiterhin eine sofortige Abschaltung

Der Ärger um das pannengeplagte französische Atomkraftwerk Fessenheim reißt nicht ab. Das trinationale Atomschutzbündnis TRAS hat nun die Rolle der französischen Atomaufsichtsbehörde ASN genauer unter die Lupe genommen und zieht dabei eine katastrophale Bilanz. Zum Hintergrund: In den nächsten Tagen soll der abgeschaltete Reaktorblock 1 von Fessenheim wieder ans Netz gehen, die ersten Tests dafür laufen zur Zeit. Außerdem steht schon bald die nächste Zehnjahres-Revision des Meilers an. Wenn bis dahin keine Sicherheit über eine mögliche Schließung der Anlage besteht, könnte das Kraftwerk noch viele weitere Jahre am Netz bleiben, so die Befürchtung der Kritiker.

Im Auftrag der Aktivisten hat der frühere Präsident der schweizerischen Kommission für Strahlenschutz und Überwachung der Radioaktivität, André Herrmann, die Anweisungen der Aufsicht an den Kraftwerkbetreiber EDF anhand von fünf bekannten Schwachstellen überprüft. Dieser kommt zum Ergebnis, dass im Falle eines nuklearen Unglücks viele Sicherheitsmaßnahmen im Kraftwerk nicht ausreichen würden.

Vorwurf: Auflagen der Atomaufsicht nicht schnell genug, nur teilweise oder gar nicht umgesetzt

Demnach hatte die ASN in den letzten Jahren gleich mehrere Mängel festgestellt und entsprechende Auflagen gemacht. Diese wurden dann aber in einigen Fällen wohl gar nicht oder nur teilweise umgesetzt. Problematisch seien außerdem die teils langen Fristen für die Umsetzung von bis zu zehn Jahren. Wegen seiner geografischen Lage auf dem Oberrheingraben sieht Herrmann das Atomkraftwerk Fessenheim als eines der größten Risiken in ganz Europa, betont er im baden.fm-Interview. Hier kann es theoretisch jederzeit ein Erdbeben geben und wenn dann die Sicherheitsauflagen nicht umgesetzt wurden, könnte das im Ernstfall zum Super-GAU führen, so sein Fazit.

Atomkraft-Experte André Herrmann sieht vor allem bei den Auflagen zur Erdbebensicherheit von Fessenheim Nachholbedarf

Das Atomschutzbündnis TRAS sieht fünf Hauptkritikpunkte:

  1. Bei der Bodenplatte, die im Falle einer Kernschmelze das extrem heiße radioaktive Material auffangen soll, ist die EDF bereits den Auflagen der Aufsichtsbehörde nachgekommen. Bisher hatte Fessenheim mit 1,50 Metern Dicke die dünnste Platte aller Atomkraftwerke weltweit. Diese wurde nun nachträglich um 50 Zentimeter verstärkt. Üblich wären bei anderen Kraftwerken aber Stärken von mindestens drei Metern, kreiden die Gegner an. Fraglich ist außerdem aus ihrer Sicht, wie viel ein neu eingebauter Abflussschacht für den geschmolzenen Kern im Ernstfall wirklich bringen würde - möglicherweise könnte dieser sogar die Lage verschlimmern. Darüber streiten Experten gerade.
  2. Auch die Maßnahmen zur Kühlung des Reaktors waren für die ASN noch nicht zufriedenstellend, falls der normale Kühlkreislauf plötzlich ausfallen würde. Erst 2019 oder 2020 sollen hier zusätzliche Wasserreservoirs zur Verfügung stellen, mit denen das radioaktive Material notfalls sehr schnell gekühlt werden könnte.  Unklar bleibt für die Atomaufsicht außerdem, welche Mengen an Wasser Fessenheim dafür überhaupt brauchen würde.
  3. Bei vielen Bauteilen von Fessenheim ist unklar, wie widerstandsfähig sie im Fall eines Erdbebens wären. Das betrifft auch wichtige Systeme wie den Sandfilter der Notbelüftung, die Notstromversorgung und die Lagerbecken für die Brennelemente. Elf Stromkästen, die das Notkühlungssystem steuern, waren außerdem etwa von Beginn an nicht richtig verankert.
  4. Die Atomaufsicht hatte angeordnet, die eingebauten Sandfilter zu prüfen und gegebenenfalls gegen leistungsfähigere Technik auszutauschen. Diese Filter sollen bei einem Unglück die Abluft des Kraftwerks so weit es geht von austretender Radioaktivität befreien. Erst im Jahr 2020 ist hier eine erdbebensicherere Variante vorgesehen.
  5. Die Lagerbecken mit den stark strahlenden Brennelementen müssen rund um die Uhr dauergekühlt werden. Auch im Fall eines Erdbebens muss dafür ständig Wasser im Becken sein. Um das gewährleisten zu können, hat der Kraftwerkbetreiber bereits bessere Steuerelemente wie Schieber eingebaut. Allerdings macht ein Transferkanal zwischen den einzelnen Becken dabei wohl Probleme. Grundsätzlich seien die Becken auch baulich schwächer als bei anderen Atomkraftwerken, so die Kritik der ASN.
TRAS-Präsident Jürg Stöcklin hat beim Atomkraftwerk Fessenheim auch große Bedenken zur Rolle der französischen Atomaufsicht

Bei TRAS möchte man nun den Druck auf den Kraftwerkbetreiber EDF und die französische Regierung ausweiten. Das Bündnis, dem unter anderem auch die Stadt Freiburg, Basel, sowie 67 andere Städte und Gemeinden im Dreiländereck angehören, prüft nun, ob die neuen Erkenntnisse zu neuen Klagen führen könnten.

Die Mitglieder fordern weiterhin eine sofortige Abschaltung des Atomkraftwerks Fessenheim und sprechen von einem massiven Sicherheitsrisiko für alle Bewohner des Oberrheins. Auch bei der neuen Bundesregierung möchten sie erneut ihr Anliegen unterstreichen, heißt es.

(fw)