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Diskussion um Pflegekräftemangel droht zu eskalieren

Zu viele Überstunden - Gewerkschaft fordert mehr Personal

Die Gewerkschaft ver.di Südbaden hat am Freitag (11.08.2017) Alarm geschlagen. Schon seit Jahren mangelt es nicht nur in Baden-Württemberg, sondern bundesweit an Pflegekräften. Krankenhäuser und Kliniken sind stark unterbesetzt, allein in Südbaden fehlen 1.600 Kräfte.

Geschäftsführer von ver.di Südbaden Reiner Geis warnt vor den Konsequenzen. Er hat die Universitätsklinik Freiburg als beispiel genommen: dort fehlen aktuell 300 Pflegekräfte. Die Stationsleiter können einen Monat bis gerade mal den 22. Tag planen. Für die nächsten Tage fehlt es schlicht an Personal. Die einzelnen Kräfte sind in gewisser Hinsicht also gezwungen Überstunden zu leisten. Zusammengerechnet leisten die Pflegekräfte 150.000 Überstunden jährlich.

Krankenpflegerin Konstanze Buuck ist in der Kinderonkologie an der Universitätsklinik Freiburg tätig und berichtet über die internen Zustände im Interview mit baden.fm.

Krankenpflegerin Konstanze Buuck äußert sich zu Überstunden

Selbst bei eigener Krankheit erscheinen sie zur Arbeit

Buuck sagt, dass das Personal unterbesetzt ist. Wenn sich jemand krankmeldet, muss jemand gefunden werden, der die Schicht übernimmt, was teilweise unmöglich ist. Sie sagt auch, dass sie keine Pausenzeiten hat und zehn Tage durcharbeitet, somit keine Arbeitszeit einhalten kann. Man gehe mit einem schlechten Gewissen von der Arbeit, weil die Kräfte nicht dem gerecht werden können, was dem Standard entspricht, so Buuck weiter. Sie betont, dass sie Überstunden für das Team und ihre Patienten leistet, nicht für die Klinik.

Gewerkschaft fordert schnell neues Personal - Kräfte sind verfügbar

In Deutschland gibt es über 100.000 Pflegekräfte, die nicht mehr tätig sind. Der Grund: durch die Arbeitsbedingungen, die sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert haben, ist der Arbeitsplatz in der Pflegebranche nicht mehr attraktiv genug.

Geschäftsführer Geis hat erwähnt, dass man sich die skandinavischen Länder zum Vorbild nehmen sollte. Dort haben die einzelnen Staaten den Arbeitsplatz der Pflegekräfte attraktiver gestaltet und bessere Bedinungen für Arbeitnehmer geschaffen, in dem sie in knapp eineinhalb Jahren mehr Personal eingestellt haben.

Geis äußert sich im Interview zu den Forderungen der Gewerkschaft ver.di Südbaden.

Reiner Geis: Das fordert ver.di

Appell an die Politik

Pünktlich zur Bundestagswahl am 24. September sind die Parteiprogramme ein großes Thema. Geis hat erwähnt, dass sich tatsächlich bei allen Parteien vieles um die Problematik der mangelnden Pflegekräfte dreht. Dennoch ist das eine alarmierende Statistik und vor allem ein Weckruf für die Politik, so Geis. Klinikträger werden häufiger von Patienten auf Schadensersatz verklagt, weil der Standard nicht eingehalten werden kann und sie somit nicht richtig genesen.

Die Gewerkschaft fordert die Landesregierung auf, die Investitionskosten der Kliniken und Krankenhäuser zu übernehmen. Denn sonst würden diese nicht mehr finanziell in der Lage sein, neues oder gar mehr Personal einzustellen.

Es gibt zwei Möglichkeiten: die Stationen werden geschlossen oder es kommt neues Personal. - Reiner Geis

Der Geschäftsführer behält es sich vor, die Pflegekräfte zu Streiks aufzurufen. Man wolle erst abwarten, so Geis.

Auszubildende bekommen nicht genug Praxiserfahrung

Der Fachkräftemangel wirkt sich auch negativ auf die nächsten Generationen aus. So bekommen Auszubildende nicht genug praktische Erfahrung während des Dienstes. Durch den Pflegemangel gibt es auch nicht immer einen Mentor, der die Auszubildenden betreut. Gunda Linder, auszubildende Pflegekraft, hat betont, dass sie nicht immer das Gefühl hat, Teil des Teams zu sein. Nebenbei sind spuren sie, genau wie die Vollzeitkräfte, einen enormen Druck, so Linder weiter.

(gm)