Schwarzwald, Bergwacht, © Patrick Seeger - dpa

Bergwacht kann im Schwarzwald bald nicht mehr für Einsatzbereitschaft garantieren

Bereits seit Jahren hat die Finanzierung die Bergretter vor große Herausforderungen gestellt - jetzt ist die Lage so ernst wie noch nie:

Wenn nichts passiert, kann die Bergwacht bald nicht mehr für ihre Einsatzbereitschaft im Schwarzwald garantieren. Konkret heißt das: Im Ernstfall würde es dann wesentlich länger dauern, bis verunglückte Wanderer oder Wintersportler im unwegsamen Gelände Hilfe erhalten - in manchen Gebieten können die Helfer sogar bald gar nicht mehr ausrücken. Diese düsteren Zukunftsvisionen zeichnen die Bergwachtverbände im Schwarzwald ebenso wie ihre Kollegen in Württemberg bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Freiburg am Dienstag.

Landesvorsitzender Adrian Probst erklärt das Kosten-Dilemma der Bergwacht Schwarzwald

Landesvorstand Adrian Probst versteht seine Befürchtungen ausdrücklich nicht als Drohung, sondern viel mehr als Warnung. Schon jetzt kann die Bergwacht-Ortsgruppe in Menzenschwand beispielsweise nicht mehr ausrücken, weil ihr Einsatzfahrzeug nicht mehr durch den TÜV kam und kein Geld für einen Ersatz vorhanden ist. Rund zwei Drittel aller Wachstationen im Schwarzwald sind Schätzungen zufolge außerdem in so schlechtem baulichen Zustand, dass ihnen ebenfalls bald die Schließung drohen soll. Außerdem haben die Bergretter zunehmend Schwierigkeiten ihre Einsätze vor Ort zu koordinieren: Mit ihren alten Analogfunkgeräten ist kein Funkkontakt zur Polizei oder zu Rettungshubschraubern mehr möglich - diese kommunizieren inzwischen ausschließlich über den modernen Digitalfunk. Aus diesem Grund sind aus Sicht der Bergwacht in letzter Zeit auch dramatische Funklöcher in wichtigen Einsatzgebieten wie dem Feldberg oder der Wutachschlucht entstanden - die alten Sendemasten sind hier inzwischen außer Betrieb gesetzt.

Bereits seit Jahren laufen Gespräche in Stuttgart

Die Forderung richtet sich nun erneut an die Landesregierung in Stuttgart: Bereits seit Jahren sucht man hier bereits Möglichkeiten, um die Arbeit der ehrenamtlichen Einsatzkräfte besser zu finanzieren, konkrete Ergebnisse sieht der Vorstand bislang aber kaum. Viel mehr sehe man sich ausgenutzt: Sowohl Grün-Rot als jetzt auch Grün-Schwarz setzen darauf, dass die Ehrenamtlichen improvisieren und aus eigenem Antrieb Gelder auftreiben oder beispielsweise mit Privatautos zu den Einsätzen fahren, so die Kritik.

Das Ehrenamt in Baden-Württemberg ist wie eine Zitrone, die bis auf den letzten Tropfen ausgepresst und danach weggeworfen wird. - Adrian Probst (Landesvorsitzender Bergwacht Schwarzwald)

Konkret wären laut Landesgeschäftsführer Lutz Scherer Sofortmaßnahmen von rund 2 Millionen Euro notwendig, um überhaupt erst wieder Einsatzbereitschaft herzustellen. Hinzu kommen laufende Kosten von rund 600.000 Euro pro Jahr, um neue technische Anschaffungen abzudecken oder die nötigsten Kosten der einzelnen Unterstützer abzudecken. Jeder ehrenamtliche Bergwacht-Retter muss bislang seine komplette Schutzausrüstung und Utensilien wie Seile selbst bezahlen. Zu diesen rund 1500 Euro kommen die Ausfälle beim Hauptberuf. Denn anders als bei der Feuerwehr erhalten die Bergretter keine Aufwandsentschädigung für die Zeit, in der sie anstatt bei ihrem Job bei einem Einsatz sind.

Bergwacht, Schwarzwald, © Patrick Seeger - dpa

Bisher erhält die Bergwacht im Schwarzwald vom Land eine feste Summe von rund 70.000 Euro pro Jahr. Davon muss sie alle Kosten für Technik oder Ausrüstung begleichen. Genau hier setzt ihre Kritik jetzt an: Die Retter sind der Ansicht, dass ihnen nach dem Landesrettungsdienstgesetz eigentlich viel mehr zusteht. Dort heißt es erst einmal, dass die Landesregierung 90 Prozent aller Investitionen übernehmen müsste. Allerdings greift in Baden-Württemberg hier bislang ein Kostendeckel, sodass am Ende dabei nicht mehr als die genannten 70.000 Euro herauskommen. Hinzu kommen weitere Gelder wie etwa die Sportförderung, wie sie auch das Rote Kreuz erhält. Insgesamt wohl aber zu wenig, um den Dienst in seiner jetzigen Form aufrecht zu erhalten:

Im nächsten Winter droht ein regelrechter "Dammbruch"

Schon der nächste Winter könnte zur Katastrophe werden: Während die Tourismusbranche im Schwarzwald boomt und es auch immer mehr ältere Menschen gesundheitlich noch in die Natur zum Wandern oder zum Wintersport zieht, steigt damit das Unfallrisiko proportional an. Das frisch eingerichtete Biosphärengebiet und der Naturpark im Schwarzwald sind demnach in besonderem Maße auf die Arbeit der Bergretter angewiesen. Mit der aktuellen finanziellen Situation fühlen sich diese den gestiegenen Aufgaben offenbar aber nicht mehr gewachsen. Im letzten Februar war die Situation bereits schon einmal so dramatisch, dass die Bergwacht nach baden.fm-Informationen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Nur höhere Spendengelder nach einer TV-Doku-Reihe über ihre Arbeit hatten den Betrieb noch einmal abgesichert.

Im Schnitt sechs Mal so viele Einsätze wie noch vor 25 Jahren

Über 1500 Mal mussten diese jeweils in den letzten Jahren im gesamten Schwarzwald ausrücken. Zum Vergleich: Um 1990 waren es gerade einmal 250 Einsätze im pro Jahr gewesen. Obwohl die Zukunft aus jetziger Sicht bereits seit Jahren ungewiss ist, hat die Bergwacht nach eigenen Angaben bislang aber alles andere als ein Nachwuchsproblem: Die eigentliche Schwierigkeit beginnt meist erst, wenn die angehenden Ehrenamtlichen mit ihrer aufwändigen Ausbildung fertig sind und dann im Einsatzalltag auf sie hohe Kosten und ein immer weiter steigender Zeitaufwand zukommen. Von den rund 1500 Mitgliedern der Bergwacht Schwarzwald ist rund die Hälfte auch aktiv im Bereitschaftsdienst - hier sinkt die Tendenz. Jetzt ist die Bergwacht weiterhin auf der Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten: Bisher erhalten sie für jeden abgelieferten Patienten einen Festbetrag von den Krankenkassen, der Rest setzt sich aus den Landeszuschüssen und Spendengeldern zusammen.