Ausbildung, Azubi, Lehrstellen, Fachkräftemangel, © Christoph Schmidt - dpa

Deutlich weniger Ausbildungsplätze in Baden-Württemberg

Minus von 15,5 Prozent im Bereich der Industrie- und Handelskammern

Die Unternehmen in Baden-Württemberg haben wegen der wirtschaftlichen Turbulenzen in der Corona-Pandemie viele Ausbildungsplätze abgebaut. Im Bereich der Industrie- und Handelskammern fiel der Rückgang in der Medien- und Veranstaltungsbranche, im Tourismus sowie im Verkehrs- und Transportgewerbe besonders drastisch aus. Das hat der baden-württembergische Dachverband BWIHK am Dienstag (01.09.2020) zum offiziellen Ausbildungsstart mitgeteilt. Wegen des Abbaus etlicher Lehrstellen meldeten die Betriebe in Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe insgesamt 6280 weniger Auszubildende als noch vor einem Jahr - das entspricht einem Minus von 15,5 Prozent. Die Gesamtzahl der Ausbildungsverträge im Zuständigkeitsbereich der BWIHK ist damit auf 34.250 zurückgegangen. Hauptgrund für den Abbau vieler Ausbildungsplätze sei die schwierige wirtschaftliche Lage, in der sich viele Firmen befänden, hieß es. Die Corona-Pandemie habe in den Unternehmen für große Unsicherheiten gesorgt.

BWIHK-Vizepräsidentin Marjoke Breuning:

"Solche Zahlen haben wir zwar erwartet, sie machen uns aber dennoch große Sorgen."

Deutliches Minus auch im Gastgewerbe

In vielen Gegenden ist auch ein deutliches Minus bei den Ausbildungsplätzen im Gastgewerbe zu sehen - in der Region Stuttgart beträgt es beispielsweise 37 Prozent. "Hier fürchten viele Betriebe um ihre Existenz und stellen wenig oder gar keine Azubis ein", sagte Breuning. Auch in der Industrie nahm die Zahl der neuen Ausbildungsverträge sichtbar ab - beispielsweise im Bereich der Metalltechnik. Breuning führte das allerdings nur zum Teil auf die Pandemie zurück, ein wichtiger Faktor seien hier auch die Transformationsprozesse in der Autoindustrie. "Klassische Metallberufe werden nicht mehr so nachgefragt", sagte sie.

Der BWIHK vertritt mehr als 650.000 Südwest-Unternehmen aus der Industrie, dem Handel und dem Dienstleistungsgewerbe. Nicht in den BWIHK-Bereich fallen beispielsweise Handwerksbetriebe, Ärzte, Architekten, Künstler, Landwirtschaftsbetriebe, Wissenschaftler oder Rechtsanwaltskanzleien. Branchenübergreifend vermeldete die baden-württembergische Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit bei den Ausbildungsplätzen am Dienstag (01.09.2020) ein Minus von 6,8 Prozent im Vergleich zu 2019. Damit sind es jetzt insgesamt 75.356 Lehrstellen (Stand Mitte August 2020).

Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut appelliert an die Unternehmen

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) appelliert an die Unternehmen, mit etwas Verspätung noch Ausbildungsplätze anzubieten. BWIHK-Vizepräsidentin Breuning sagte, der Trend sei positiv. Schon in den vergangenen Wochen hätten landesweit noch viele Verträge geschlossen werden können. Die Aufholjagd bei der Besetzung der Lehrstellen habe begonnen. Hoffmeister-Kraut sagte, alle Beteiligten müssten Anstrengungen unternehmen, damit Bewerber und Unternehmen zusammenfänden.

Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut:

Eine Berufsausbildung ist praxisnah, sinnvoll und lukrativ, zudem weiterhin zukunftssicher und aussichtsreich."

Tatsächlich könnten mit etwas Verspätung noch eine Reihe von Ausbildungsverträgen geschlossen werden. Denn trotz aller Probleme gibt es auch in diesem Jahr mehr Ausbildungsstellen als Interessenten. Nach neuen Daten der Arbeitsagentur standen Mitte August 2020 insgesamt 12.577 unversorgte Bewerber noch 22.730 unbesetzten Ausbildungsplätzen gegenüber. "Vielleicht kommt es jetzt mehr zu einem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage", sagte Breuning, betonte aber: "Es bleibt dabei, dass sich die jungen Menschen flexibel zeigen müssen."

Corona-Einschränkungen machen Probleme

Ein Problem sind auch die zahlreichen Einschränkungen, mit denen Ausbilder und Azubis in der Pandemie zurechtkommen müssten. "Es ist deutlich steriler geworden", sagte der Ausbildungsleiter des Heidenheimer Technologiekonzerns Voith, Erwin Krajewski. Das fange bei den traditionellen Einführungswochen für neue Azubis an und setze sich bei der täglichen Arbeit fort. Ohne Maskenpflicht gehe es bei den Auszubildenden nicht. "Da sind wir vielleicht ein bisschen strenger unterwegs als sonst."

(dpa/rg)