Inzlingen, Hochwasser, Unwetter, Überschwemmung, Schlamm, Überflutung, Bagger, © Thomas Reichelt - dpa (Archivbild)

Welche Lehren lassen sich aus den jüngsten Hochwasser-Erfahrungen ziehen?

Im Raum steht der Vorwurf einer Hochwasser-Expertin, dass die Behörden die Menschen früher hätten warnen können

Vergleicht man die Situation in Südbaden mit den verheerenden Zerstörungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, ist die Region bei den schweren Unwettern mit Hochwasser und Überflutungen noch vergleichsweise glimpflich davon gekommen.

Besonders im Kreis Lörrach und entlang des Oberrheins haben auch hier Wassermassen ganze Straßenzüge überflutet, Schlamm und Schutt mit sich gebracht und Keller volllaufen lassen. Trotzdem liegen hier am Ende keine Meldungen über mögliche Verletzte oder gar Tote vor - anders als in den anderen betroffenen Bundesländern.

Nun versuchen die Behörden und Einsatzkräfte nach und nach eine erste Bilanz zu ziehen und schauen, was sie beim nächsten Mal besser machen können. Vor diesem Hintergrund hatte die Kritik einer britischen Hochwasser-Expertin, die das europäische Frühwarnsystem EFAS mitentwickelt hatte, für große Aufregung gesorgt: Sie behauptet, die deutschen Behörden hätten schon vier Tage vor der großen Katastrophe entsprechende Vorwarnungen erhalten, aber nicht ausreichend darauf reagiert.

Oberster Katastrophenschützer: Warnungen haben funktioniert

Der frühere südbadische CDU-Abgeordnete und heutige Leiter des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Armin Schuster weist diese Kritik klar von sich. Zwar hätten die ersten Hinweise auf drohenden Starkregen mit Hochwasser tatsächlich schon vorher vorgelegen. Allerdings waren die wohl sehr ungenau und selbst mit modernen Wetterprognosen ließ sich für die Einsatzkräfte nicht vorhersagen, in welchen Gebieten genau die Wassermassen vom Himmel kommen würden.

Auch der baden-württembergische Landtag beschäftigt sich am Dienstag (20.07.2021) noch einmal mit der Frage, welche Konsequenzen beim Hochwasserschutz aus den Erfahrungen im Südwesten gezogen werden können. Dabei wird es unter anderem auch darum gehen, auf welche Art und Weise die Menschen im Katastrophenfall vor den anrückenden Fluten gewarnt werden.

Bisher läuft das in der Regel so ab: Steigt der Wasserpegel an einem Fluss über einen bestimmten Grenzwert, dann erhalten Landratsamt, Bürgermeister, sowie Polizei und Feuerwehr eine automatische Warnmeldung. Alternativ kann auch der Deutsche Wetterdienst mit einer offiziellen Unwetterwarnung so eine Meldung auslösen.

Enge Abstimmung zwischen Behörden und Einsatzkräften

Dann stimmen sich als nächstes die Hochwasservorhersagezentrale des Landes, die einzelnen Rathäuser der betroffenen Städte und Gemeinden und das Landratsamt untereinander ab und tauschen Informationen aus. Die Hauptverantwortung liegt dabei in Baden-Württemberg grundsätzlich erst einmal klar bei den Bürgermeisterämtern. Sie beauftragen Feuerwehr und Polizei, die Bevölkerung zu warnen und weitere Vorkehrungen zu treffen. Bei größeren Einsatzlagen kann ansonsten auch der Landkreis den Katastrophenfall ausrufen und weitergehende Schritte in die Wege leiten.

Hier kommt es auf eine genaue Abstimmung der unterschiedlichen Akteure an, da ansonsten wichtige Informationen schnell auf der Strecke bleiben oder die Warnungen am Ende unvollständig oder zu  spät herausgegeben werden.

Diese Schwachstellen machen bei den Warn-Apps noch Probleme

Bei den Warnmöglichkeiten setzen die Behörden seit einigen Jahren immer mehr auf so genannte Warn-Apps für das Smartphone. Hier gibt es beispielsweise die NINA-App des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (rund 8 Millionen Downloads), die KATwarn-App vom Fraunhofer-Institut (knapp 1 Million Downloads) oder die WarnWetter-App vom Deutschen Wetterdienst (weniger als 1 Million Downloads).

Diese sollen eigentlich ihre Informationen untereinander austauschen und sich gegenseitig ergänzen. Blickt man allerdings auf die Download-Zahlen in den Appstores, wird klar, dass die unterschiedlichen Dienste sich gegenseitig Konkurrenz zu machen scheinen und trotzdem am Ende nur ein Bruchteil der Menschen in Deutschland durch diese Apps erreicht werden kann.

Nächstes Problem ist eher ein psychologisches: Weil die meisten Warn-Apps während Unwettersituationen nicht nur ein Mal warnen, sondern oft gleich mehrere Alarme als Push-Meldung ausspucken, kann das bei einigen Nutzern zu einer Art Abstumpfung führen. Wenn dann beim vierten oder fünften Mal kein leichtes Gewitter, sondern plötzlich eine heftige Unwetterfront ansteht, öffnen manche Nutzer die App gar nicht mehr erst.

Sirenen heulen nur noch selten auf

Die klassische Methode des Sirenenalarms ist während des Unwetters kaum zum Einsatz gekommen. Damit lassen sich auch in der Nacht noch größere Gruppen von Menschen warnen, vor allem auch die Gruppen, die kein Smartphone besitzen. Allerdings stammt die Infrastruktur der meisten Sirenen, die man in den großen Städten und kleinen Dörfern heute noch auf den Dächern sieht, oft noch aus der Zeit des Kalten Krieges.

Selbst wenn die Technik einwandfrei gewartet wurde, nagt an ihr gerade im ländlichen Raum oft der Zahn der Zeit. Beim bundesweiten Warn-Tag hätten letzten September eigentlich die große Mehrheit von ihnen gleichzeitig für einen Test auslösen sollen - in der Praxis hat das aber nicht einwandfrei geklappt. Und der nächste Warn-Tag wurde bereits auf nächstes Jahr verschoben.

Bleiben die Warnungen über die Medien. Wie alle anderen Radiosender erhalten auch wir bei baden.fm in unseren Studios automatische Warnungen vor schweren Unwettern und anderen Gefahrenlagen, die vom Deutschen Wetterdienst oder der zuständigen Polizei im jeweiligen Bundesland ausgegeben werden.

So verhalten Sie sich im Fall von Überflutungen richtig:

Doch wie verhält man sich eigentlich richtig, wenn der Hochwasseralarm bereits ausgerufen wurde? Wichtig ist, dass einen die drohenden Fluten nicht überraschen, rät die Feuerwehr. Wer also im Keller vorher die Rückhaltesperren überprüfen möchte, sollte das unbedingt vorher machen. Denn wenn die Wassermassen erst da sind, herrscht im Untergeschoss akute Lebensgefahr.

Betroffene sollten als Vorbereitung Lebensmittel und andere wichtige Dinge in einem der oberen Stockwerke lagern und vorsorglich in den Räumen, die überschwemmt werden könnten, alle Elektrogeräte abschalten - notfalls einfach die Sicherung raus, um tödliche Stromschläge im Wasser zu verhindern.

Sobald das Wasser erst einmal ins Haus eingedrungen ist, gilt grundsätzlich das gleiche, wie wenn die Wohnung in Flammen steht: Dort würde auch niemand mehr zurücklaufen, um Wertgegenstände und andere Besitztümer zu retten, wenn er dadurch sein Leben aufs Spiel setzt.

Der Katastrophenschutz rät deshalb: Von den wichtigsten Unterlagen wie Bank- und Versicherungsangelegenheiten Kopien machen und diese bereits vorab in einer wasserdichten Tasche griffbereit halten.

Auto kann bei Fluten schnell zur Falle werden

Draußen zu Fuß auf die überfluteten Straßen zu gehen, ist keine gute Idee, da nicht nur Strömungen, sondern auch mitgeschwemmte Gegenstände unter der Wasseroberfläche oder Senklöcher eine massive Gefahr darstellen können.

Und auch das Umherfahren in den Überflutungsgebieten in Booten, auf Floßen oder anderen Hilfsmitteln bringt nicht nur einen selbst in Gefahr, sondern kann durch die ausgelösten Wellen auch weitere Schäden an Gebäuden anrichten, so die Warnung.

Auch das Auto ist im Falle eines massiven Hochwassers kein sicherer Raum, so die Einsatzkräfte. Lassen sich durch den hohen Wasserdruck außen die Türen irgendwann nicht mehr öffnen und steigt dann der Wasserpegel weiter an, kann das eine tödliche Falle darstellen.

(fw) / dpa