© Wolfgang Kumm - dpa

Ukrainischer Präsident auf Staatsbesuch in Berlin

Vor dem Berlin-Besuch von Präsident Petro Poroschenko am Montag sagte Steinmeier der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die Ukraine könne weiterhin auf «volle Unterstützung» bauen. Zugleich mahnte er Poroschenko, die angekündigten Reformen auch in die Tat umzusetzen. Als Beispiele nannte Steinmeier den Kampf gegen die immer noch weit verbreitete Korruption und Maßnahmen für eine bessere Verwaltung.
Steinmeier sagte der dpa, die Waffenruhe im Osten der Ukraine sei immer noch «fragil», aber sie halte an den meisten Orten. Auch beim Abzug schwerer Waffen gebe es Fortschritte. Der Außenminister fügte hinzu: «Wir dürfen jetzt nicht nachlassen. Wir müssen mit aller Kraft darauf hinarbeiten, das Erreichte zu stabilisieren und den Einstieg in den in Minsk vorgezeichneten politischen Prozess zu erreichen.»
© Wolfgang Kumm - dpa
Die Friedensvereinbarungen von Minsk, die unter Vermittlung von Deutschland und Frankreich zustande kamen, sind seit Mitte Februar in Kraft. Dazu gehören auch die Freilassung aller Gefangenen und der Abzug aller schweren Waffen aus der Region. Darüber hinaus hatten sich alle Seiten auf einen Fahrplan zur politischen Stabilisierung verständigt. Die prorussischen Separatisten und die ukrainischen Regierungstruppen beschuldigen sich gegenseitig, die Beschlüsse zu missachten. In praktisch allen Bereichen ist man zeitlich im Verzug.
Poroschenko trifft in Berlin unter anderem mit Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen. Dabei dürfte es insbesondere auch um die wirtschaftliche Not des Landes gehen. Steinmeier sagte dazu, der Internationale Währungsfonds habe der Ukraine mit seinem Kredit über fünf Milliarden Dollar (etwa 4,7 Milliarden Euro) eine «Atempause» verschafft. Damit gebe es nun «Zeit für Reformen und eine wirtschaftliche und soziale Stabilisierung des Landes».
Poroschenko forderte vor den Gesprächen, Russland das Gastgeberrecht für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 zu entziehen. Zugleich verlangte er eine Verlängerung der westlichen Sanktionen gegen Moskau mindestens bis zum Jahresende. Die von Russland unterstützten Separatisten würden die vereinbarte Waffenruhe in der Ostukraine nicht einhalten und wohl auch nicht alle schweren Waffen von der Frontlinie abziehen, sagte er der «Bild»-Zeitung (Montag). Von der Bundesregierung fordert er demnach mehr Militärhilfe, etwa «Radaraufklärung, Drohnen, Funk- und Nachtsichtgeräte». Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin sagte der russischen Zeitung «Kommersant» (Montag): «Seit Beginn der Feuerpause starben fast 70 unserer Soldaten.» Die Entwicklung sei «negativ».
Poroschenkos Berlin-Besuch fällt zusammen mit dem ersten Jahrestag des von Kiew als verfassungswidrig kritisierten Referendums über den Beitritt der Halbinsel Krim zu Russland. Der Westen hatte die Annexion als Völkerrechtsbruch kritisiert und Russland deshalb mit Sanktionen belegt. Zudem wird Moskau die Unterstützung der prorussischen Separatisten in der Ostukraine vorgeworfen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach sich in der «Süddeutschen Zeitung» (Montag) für eine Verlängerung der Strafmaßnahmen gegen Russland im Juni aus. Dafür gebe es drei Gründe: «Das Minsker Abkommen muss vollständig umgesetzt werden, die ukrainischen Grenztruppen wieder die Landesgrenze kontrollieren. Die Umsetzung wird bis Ende des Jahres dauern, mindestens. Das, was wir jetzt brauchen, ist Druck. Keine Diskussionen über Details, über unklare Formulierungen im Abkommen.» Wer glaube, dass Kremlchef Wladimir Putin oder die Separatisten guten Willen zeigen würden, sei entweder naiv oder scheinheilig. «Und: Europa und die transatlantische Gemeinschaft müssen vereint bleiben.»
Einem Zeitungsbericht zufolge sollen an der Seite der Separatisten auch mehr als 100 Deutsche kämpfen. Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), sieht in Rückkehrern aus dem Krieg eine potenzielle Gefahr für die Gesellschaft. Er gehe davon aus, dass auf beiden Seiten Kämpfer aus Deutschland unterwegs seien, sagte er MDR Info. Falls sich das bestätige, stelle sich die Frage, «ob von den Rückkehrern dann eine physische Gefahr für die Gesellschaft ausgeht». Erler zog eine Parallele zu deutschen Dschihadisten in Syrien.