Letzte Generation, A5, Zubringer, Blockade, Straßenblockade, Protest, Demo, Essen retten, Leben retten, Freiburg, © Initiative "Letzte Generation" / dpa

Straßenblockaden bei Freiburg stoßen teils auf Verständnis, teils auf große Wut

baden.fm hat bei betroffenen Autofahrern, der Polizei und den Aktivisten hinter der Blockadeaktion nachgehakt

Wer in den letzten Wochen in einer beliebigen deutschen Großstadt im Berufsverkehr unterwegs war, dürfte dabei höchstwahrscheinlich deutlich länger als sonst im Stau gestanden sein. Grund dafür waren jedoch in vielen Fällen nicht etwa die üblichen Baustellen oder Unfälle, sondern zuletzt oft auch Straßenblockaden von Klima-Aktivisten, wie erst am Dienstag (15.02.2022) erneut auch in Freiburg.

Nach zwei Protestaktionen auf der stark befahrenen B31 in der vergangenen Woche haben dort Unterstützer der Initiative "Letzte Generation" auch die Auffahrt zur A5 am Zubringer-Nord lahmgelegt, indem sie sich mitten auf der Straße mit Transparenten niedergelassen haben und teilweise mit Sekundenkleber an den Asphalt geklebt. Der Ärger über den Stau bei vielen betroffenen Auto- und Lastwagenfahrern war erwartungsgemäß riesig.

Doch was genau steckt eigentlich hinter den Blockaden, welche strafrechtlichen Konsequenzen haben sie und gäbe es nicht auch geeignetere Protestformen? Diesen Fragen geht baden.fm am Mittwoch (16.02.2022) den ganzen Tag über im Radio nach.

Das droht den Teilnehmern der Sitzblockaden aus polizeilicher Sicht:

Grundsätzlich müssen sich die Teilnehmer der Blockadeaktionen für gleich mehrere verschiedene Vergehen verantworten, wenn Sie den fließenden Verkehr lahmlegen und sich dazu auch noch an der Fahrbahn festkleben, erklärt Polizeisprecher Özkan Cira. Im Raum steht dabei unter anderem der Vorwurf der möglichen Nötigung, beziehungsweise auch des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.

Darüber hinaus werde juristisch geprüft, ob die Verursacher möglicherweise auch die Kosten für die aufwändigen Polizeieinsätze tragen müssen. Außerdem werde wegen des Durchführens einer unangemeldeten Versammlung ermittelt, heißt es.

Sollte es sich bei den Protesten aus rechtlicher Sicht tatsächlich um eine Demonstrationsform handeln, dann hieße das aber umgekehrt auch, dass bestimmte Bereiche des Versammlungsrechts darauf anwendbar wären. Der Sachverhalt ist hier deutlich komplexer, als es für Laien zunächst den Anschein haben mag, betont Cira.

Die Beamten stellen sich angesichts des bundesweiten Drucks der Protestbewegung darauf ein, dass es in den kommenden Tagen und Wochen noch weitere Blockadeversuche auf großen Hauptverkehrsachsen in Baden geben wird.

Zeichen gegen Verschwendung genießbarer Lebensmittel und für eine Wende in der Landwirtschaft

Dass die beteiligten Aktivisten trotz drohender Ermittlungsverfahren und möglicher Geldstrafen im Fall einer Verurteilung mit ihrer echten Identität und ihrem vollen Namen für ihre Sache einstehen, bewertet der Freiburger Sprecher der "Letzten Generation" Tobias März als Zeichen der Entschlossenheit. Im baden.fm-Interview berichtet er davon, dass sich die Gruppe über die Konsequenzen ihres Handelns grundsätzlich im Klaren sei.

Natürlich sei der Unmut der betroffenen Verkehrsteilnehmer, die wegen der Sitzblockade im Stau stehen, absolut nachvollziehbar. Doch um überhaupt die Aufmerksamkeit der Bundesregierung für ihr Anliegen zu gewinnen, bräuchte es aus seiner Sicht auch entsprechend auffällige Maßnahmen.

Unter dem Motto "Essen retten - Leben retten" geht es der Initiative vor allen Dingen um zwei Dinge: Weil täglich rund ein Drittel aller noch genießbaren Lebensmittel im Müll landen, wollen sie die Politik zu einem Essen-Retten-Gesetz bewegen, das unter anderem die Verschwendung von Nahrung verbietet, wie sie täglich bei überschüssiger Ware von Supermärkten passiert.

Zweitens machen sie sich mit ihrem Protest für eine grundlegende Agrarreform bis zum Jahr 2030 stark. Bis dahin soll die Landwirtschaft fit gemacht werden für die drohenden Folgen des Klimawandels mit immer mehr Extremwetterlagen, außerdem geht es auch um die Förderung von ökologischen Anbauformen, beispielsweise über Subventionen.

Ziel soll es sein, dass auch die künftigen Generationen noch genügend Nahrung vorfinden und dass diese Nahrung auch weiterhin hier in unseren Breitengraden angebaut werden kann. Dafür bräuchte es grundlegende Änderungen bei Emissionen, Subventionen, sowie der Beschaffenheit und Bepflanzung der heimischen Ackerböden selbst.

Kretschmann hat kein Verständnis für das Vorgehen der "Letzten Generation"

In die Debatte, ob das nun alles vielleicht seine Berechtigung habe und ob auch die Art des Protests gerechtfertigt ist oder nicht, hat sich am Dienstagabend (16.02.2022) auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Wort gemeldet. Der Grünen-Spitzenpolitiker hält Autobahn-Blockaden für schwere Rechtsverletzungen und falsch. Er hält das Demonstrationsrecht zwar für eines der elementaren Rechte einer freiheitlichen Verfassung. Ziviler Ungehorsam sei aber aus seiner Sicht erst dann angebracht, wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft seien. Und das sei jetzt überhaupt nicht der Fall.

Auch Kretschmanns Parteikollege und Bundesagrarminister Cem Özdemir hatte sich ähnlich zu den Protesten geäußert, die ja genau auf sein neues Amt zielen. Er kritisierte, dass man gesellschaftliche Mehrheiten ganz sicher nicht gewinne, wenn man Krankenwagen, Polizei oder Erzieherinnen auf dem Weg zur Arbeit blockiert.

Das Argument, dass durch die Staus Menschenleben gefährdet werden, weil Rettungskräfte nicht mehr durchkommen, möchte Initiativen-Sprecher März jedoch nicht auf seiner Gruppierung sitzen lassen. Selbst bei den Festklebe-Aktionen habe man stets auf das Einhalten von Rettungsgassen geachtet. Bei der Blockade der Autobahn-Auffahrt Freiburg-Nord hätten die Aktivisten zudem schon mehrere Brücken vor der Ausfahrt entsprechende Warnhinweise als Banner gut sichtbar für alle Autofahrer platziert, sodass diese langsam fahren und wissen, dass da ein Stau auf sie zukommt.

Viele unterstützen zwar das Anliegen, haben aber mit der Art und Weise ein Problem

Der Ärger bei vielen Verkehrsteilnehmern in Baden ist dennoch groß. baden.fm-Hörerin Ines berichtet uns, als Lastwagenfahrerin haben sie und ihre Kollegen ohnehin bereits straffe Zeiten einzuhalten und sich ständig auf den dichten Verkehr morgens zu konzentrieren. Sie hat wortwörtlich "die Faxen dicke".

Von Denise aus dem Freiburger Umland erreicht uns eine Sprachnachricht, in der sie kritisiert, dass die Aktivisten ihren eigenen Zielen im Weg stehen würden: Auf der einen Seite gehe es ihnen darum, ein Zeichen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen zu setzen, auf der anderen Seiten kämen viele Lieferungen auch mit verderblichen Waren erst deutlich später an und sorgen durch die im Stau stehenden LKW für zusätzliche Schadstoffausstöße.

baden.fm-User "Hotte" aus Malterdingen findet es zwar grundsätzlich richtig, den Protest an die Spitzenpolitik in Berlin heranzutragen, jedoch nicht auf Kosten der anderen Bürger, die durch die Blockaden in ihren teils dringenden Anliegen aufgehalten werden.

Diese Rückmeldungen decken sich auch mit denen vieler Bürger aus Freiburg, die baden.fm in den letzten Tagen geezielt zu der Protestbewegung auf der Straße befragt hat. Die meisten der Passanten fanden das Ziel, etwas gegen das massenhafte Wegwerfen von Lebensmitteln zu unternehmen, grundsätzlich richtig. Einige konnten aber den Zusammenhang zwischen diesem Anliegen und den Straßenblockaden nicht wirklich nachvollziehen. Die meisten der Befragten halten solche Aktionsformen für unsolidarisch.

Viele sagen aber auch, solange sie nicht selbst von den Staus betroffen sind, sei die Aufregung darüber halb so wild. Einig waren sich die meisten darüber, dass die Unterstützer ihr Ziel erreichen konnten, öffentliche Aufmerksamkeit herzustellen - ob man das nun gutheiße oder nicht.

(fw)