Archäologie, Ausgrabung, Knochen, Mensch, Skelett, Tod, Lepra, Mittelalter, Freiburg, Knochen, © Philipp von Ditfurth - dpa

Schon über 400 Skelette auf früherem Lepra-Friedhof in Freiburg freigelegt

Archäologen konnten bei den Ausgrabungen bereits einige wichtige historische Erkenntnisse gewinnen

2020 waren Bauarbeiter in Freiburg zufällig auf menschliche Knochen aus dem Mittelalter gestoßen. Anderthalb Jahre unter über 400 freigelegte Skelette später haben Archäologen über den besonderen Fund bereits einige Erkenntnisse erlangt.

Wo in der Kronenstraße einmal die Zufahrt zu einer Tiefgarage entstehen soll, sind auch am Mittwochmorgen (24.11.2021) wieder mehrere Männer mit Pinseln und anderen Gerätschaften im Erdreich der ausgehobenen Baugrube unterwegs. Die Archäologen und ihre Helfer legen dort gerade weitere Schädelknochen frei. Bei den meisten der Verstorbenen handelte es sich nach ihren Erkenntnissen um die Bewohner eines so genannten Gutleuthaus aus dem Mittelalter - einem Heim für Leprakranke.

Erstmals erwähnt wurde die Einrichtung im Jahre 1251. Abgebrannt ist sie 1632 während des Dreißigjährigen Kriegs. Dass es in Freiburg so ein Leprosenhaus gab, war zwar bekannt, sagt Bertram Jenisch vom Landesamt für Denkmalpflege am Regierungspräsidium Stuttgart.

Neu ist aber die Erkenntnis, dass dort nicht nur Lepra-Erkrankte beerdigt wurden, sondern offenbar auch Menschen, die an der Geschlechtskrankheit Syphilis oder an Tuberkolosen litten oder französische Soldaten, die während der Belagerung Freiburgs im Rahmen des österreichischen Erbfolgekriegs 1744 gefallen sein müssen. Die Experten haben sie anhand von Knöpfen und noch immer erhaltenen Uniformresten identifiziert.

Ausgrabung in Freiburg ist von internationalem Interesse

Stand heute gehört der freigelegte mittelalterliche Leprafriedhof in Freiburg nun nach Angaben des Denkmalamts bundesweit zu den am besten untersuchten Grabstätten dieser Art. Das liegt auch daran, dass die Skelette nach modernsten Standards freigelegt werden konnten. So sind bei den Verantwortlichen auch schon Anfragen internationaler Forschungsprojekte zu dem archäologischen Fund eingegangen.

Indirekt könnte auch die heutige Medizin von den Erkenntnissen aus Freiburg profitieren, glaubt Ralf Klötzer von der Gesellschaft für Leprakunde. Die von Bakterien ausgelöste Krankheit ist seit rund 300 Jahren in Deutschland verschwunden. Anhand der menschlichen Überreste können Experten heute aber sehen, dass manche Leprakranke zum Teil trotz schwerer Symptome überleben konnten und andere mit nur leichten Symptomen an anderen Ursachen starben.

Das Bakterium Mycobacterium leprae befällt nach Angaben der Deutschen Lepra- und Tuberkolosenhilfe vor allem Haut und Nervensystem. Im Verlauf bilden sich Beulen und Knoten auf der Haut und auf Dauer auch Nervenschäden. Betroffene verlieren das Gefühl in Händen oder Füßen. Einen Impfstoff gibt es nicht, heutzutage lässt sich Lepra aber mit Hilfe von Antibiotika heilen. Jedes Jahr infizieren sich auch heute noch weltweit hunderttausende Menschen neu, vorwiegend in tropischen und subtropischen Ländern der Erdsüdhalbkugel.

Knochen sollen aus Pietätsgründen nicht im Museum landen - dafür andere Fundstücke

Die geborgenen Knochen aus Freiburg sollen nun zunächst nach Konstanz weitertransportiert werden. Eine Anthropologin wird sie dort reinigen, genau vermessen und weiter analysieren. Bei einigen soll dabei auch das genaue Alter datiert werden. Um die sonstigen Funde wie Sargnägel, Amulette und Überreste von Rosenkränzen kümmert sich das Landesamt. Sie sollen zum Teil zu Ausstellungsstücken in Museen werden.

Schon die Grabungen selbst hätten interessante Einblicke in den damaligen Glauben und Aberglauben ermöglicht, sagt der Experte Jenisch. So seit zum Beispiel ein Geköpfter mit einem Stein zwischen dem Haupt und dem Hals bestattet worden - wohl, damit der Körper nicht wieder zusammenwachse.

Nachdenklich gestimmt hätten ihn die Grabungen nicht zuletzt auch wegen der Corona-Pandemie. Leprosenhäuser lagen damals vor den Toren der Stadt. Wer dorthin musste, erhielt vorher noch die Sakramente und galt rechtlich bereits als Toter. Kein Vergleich, wenn man sich anschaut, wie heute mit Menschen umgegangen wird, die mit einer hoch ansteckenden Krankheit infiziert sind, urteilt Jenisch.

dpa / (fw)