Pressekonferenz, Missbrauch, Staufen, Ermittler, Polizei, Staatsanwaltschaft, © Patrick Seeger - dpa

Früherer Pfadfinder-Gruppenleiter soll sich an Kindern in Staufen vergangen haben

Der 41-Jährige stand bereits in den 2000er-Jahren schon einmal wegen eines ähnlichen Verdachts vor Gericht

Ein neuer Missbrauchsfall erschüttert seit dieser Woche die südbadische Kleinstadt Staufen und die gesamte Region. Wie am Montag (06.05.2019) bekannt geworden war, ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft in dem Ort bereits seit dem Frühjahr wegen neuer sexueller Übergriffe gegen Kinder. Seit Februar sitzt ein 41-jähriger Deutscher aus Staufen oder dem direkten Umkreis in Untersuchungshaft. Der frühere Leiter einer Pfadfindergruppe soll sich an mindestens vier Jungen vergangen haben, so der Verdacht. Zum Zeitpunkt der Verbrechen dürften die Schüler damals zwischen 8 und 14 Jahre alt gewesen sein.

Auf den Mann aufmerksam geworden sind die Ermittler nach der Anzeige der Mutter eines betroffenen Kindes am 18. Februar 2019. Daraufhin haben Staatsanwaltschaft und Kripo in kürzester Zeit eine gemeinsame 12-köpfige Ermittlungsgruppe eingerichtet. Über Durchsuchungen und Befragungen im Umfeld des Verdächtigen kam es bereits wenige Tage später zu einer Festnahme.

So sieht der aktuelle Ermittlungsstand von Polizei und Staatsanwaltschaft im Fall des missbrauchten Jungen aus Staufen aus

Zu zweien der Kinder soll der Mann damals über seine Funktion als Gruppenleiter der evangelischen Pfadfinder aus dem Bereich Staufen zwischen 2009 und 2013 Kontakt aufgenommen haben. Dabei ging er nach aktuellem Ermittlungsstand nicht gewalttätig vor, sondern hat sich über Geschenke und Nähe das Vertrauen seiner späteren Opfer erschlichen. Die sexuellen Übergriffe soll er ihnen gegenüber anschließend als etwas "völlig Normales" dargestellt haben.

Mehr als 400 Übergriffe gegen mindestens vier verschiedene Jungen

Zwischen 2014 und 2018 soll es im Anschluss zu weiteren, teils schweren Sexualstraftaten an mindestens zwei weiteren Schülern gekommen sein. Diese hatte er wohl in seinem Freizeitbereich kennengelernt, nähere Angaben darüber machen die Ermittler zum Schutz der Betroffenen nicht.

Insgesamt hat die Polizei bereits mehr als 100 verschiedene Kinder und Jugendliche befragt, mit denen der Beschuldigte in all den Jahren Kontakt gehaben könnte. Vier haben sich bereits als Betroffene von sexuellen Übergriffen gemeldet. Die Ermittler befürchten aber, dass es noch weitere, vielleicht auch schwer traumatisierte Opfer geben könnte, die sich bisher noch nicht zu einer Aussage überwinden konnten.

Sexueller Missbrauch von mehreren Kindern in Staufen - Die komplette Pressekonferenz der Ermittler

Polizei geht bisher von Einzeltäter aus

Nimmt man alle bereits bekannten Verdachtsfälle zusammen, handelt es sich über mehr als 400 mutmaßliche Einzelübergriffe, für die sich der Verdächtige schon bald vor Gericht verantworten soll. Der Großteil geht dabei auf sexuelle Handlungen an einem Jungen zurück, mit dem der 41-Jährige besonders viel Kontakt gehaben soll. Über den Festgenommenen ist bereits bekannt, dass er nicht vorbestraft ist, aber bereits zwischen 2004 und 2007 ein Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt wurde.

Auch damals ging es bereits um möglichen Kindesmissbrauch. Weil im Berufungsprozess vor dem Freiburger Landgericht aber am Ende Aussage gegen Aussage stand, musste er damals freigesprochen werden. Warum er mit dieser Vorgeschichichte allerdings im Anschluss eine Anstellung als Leiter der kirchlichen Pfadfindergruppe gefunden hatte, dazu konnten die Ermittler keine Angaben machen.

Die evangelische Kirche in Baden betont, dass der Verdächtige bereits seit mehreren Jahren nicht mehr für die betroffene Kirchengemeinde in Staufen arbeitet. Sie verweist Eltern an die Missbrauchs-Beratungsstelle "Wendepunkt" in Freiburg oder an das Vertrauenstelefon der badischen Landeskirche, wo ein erfahrener Psychotherapeut für vertrauliche Gespräche zur Verfügung steht.

Bei Ermittlungen auf möglichen weiteren Missbrauchsfall gestoßen

Die Polizei geht bislang von einem Einzeltäter aus, der wahrscheinlich keine Hilfe von weiteren Beteiligten oder Mitwissern hatte. Zu den Vorwürfen schweigt er in Untersuchungshaft bisher komplett. Allerdings sind die Beamten bei ihren Befragungen auf einen möglichen weiteren Missbrauchsfall gestoßen.

Unabhängig von den Beschuldigungen gegen den 41-Jährigen könnte sich auch ein zweiter Pfadfinder-Gruppenleiter an Kindern vergangen haben. Gegen den 27-Jährigen wird momentan parallel ermittelt, weil er ein Mädchen bedrängt haben könnte. Die beiden Verdächtigen sollen sich zwar gekannt haben, einen direkten Zusammenhang zwischen den vorgeworfenen Straftaten sehen Polizei und Staatsanwälte bisher aber nicht.

Kein Zusammenhang mit dem bereits bekannten Verbrechen aus Staufen

Sie betonen außerdem, dass es aus ihrer Sicht völliger Zufall sei, dass schon wieder das beschauliche Staufen zum Tatort solcher mutmaßlicher schwerer Sexualverbrechen geworden ist. Mit dem jahrelangen Missbrauch eines heute 10-Jährigen Jungen durch seine Mutter, ihren Partner und Fremde aus dem Darknet habe der neue Fall überhaupt nichts zu tun.

(fw)

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