Staufen, Pfadfinder, Missbrauch, Prozess, Landgericht, Freiburg, © Patrick Seeger - dpa

Pfadfinder-Betreuer aus Staufen muss für hundertfachen Missbrauch hinter Gitter

Das Landgericht ist bei seinem Urteil in weiten Teilen der Forderung der Ankläger gefolgt

Weil er vier Jungen mindestens 124 Mal sexuell missbraucht hat, muss ein früherer Pfadfinder-Betreuuer aus Staufen für acht Jahre ins Gefängnis. Das hat das Freiburger Landgericht am Mittwoch (19.02.2020) entschieden. Sobald der 42-Jährige seine Haftstrafe abgesessen hat, landet er zum Schutz der Allgemeinheit anschließend in Sicherungsverwahrung. Außerdem muss der Angeklagte der Familie eines betroffenen Kindes 10.000 Euro Schmerzensgeld zahlen und weitere 8.000 Euro an die eines anderen.

Ursprünglich war die Anklage von über 330 Missbrauchsfällen zwischen den Jahren 2010 und 2018 ausgegangen. Das Urteil bezieht sich jetzt nur auf einen Teil davon, bei den anderen wurden die Ermittlungen auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Staatsanwaltschaft wollte 8,5 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung

Das Gericht folgte der Auffassung der Staatsanwaltschaft, nach der der ehemalige Gruppenleiter der evangelischen Pfadfinder in Staufen seine Stellung dazu ausgenutzt hatte, um sich zwei der Jungen anzunähern. Ein anderes Kind hatte er in seiner Freizeit auf einem Campingplatz kennengelernt. Bei einem weiteren Schüler baute er vorher offenbar ein Vertrauensverhältnis zur Mutter auf.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihren Plädoyers am Dienstag eine Gefängnisstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert. Die ursprünglichen Forderungen von Verteidigerin und Nebenklage hatten beide unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgetragen. Sie wurden zunächst nicht öffentlich bekannt. Nach der Urteilsverkündung gab das Gericht bekannt, dass die Rechtsanwältin des Angeklagten sich für eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren ausgesprochen hatte und die Entscheidung über mögliche Sicherungsverwahrung komplett dem Richter überlassen wollte.

Weite Teile des einmonatigen Hauptverfahrens fanden hinter verschlossenen Türen statt. Dadurch wollte das Gericht die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten schützen - auch die der Opfer.

Evangelische Kirche hatte nach erstem Freispruch an dem Angeklagten festgehalten

Bei der Aufarbeitung des Missbrauchsfalls wurde früh bekannt, dass der Angeklagte in der Vergangenheit schon einmal wegen Kindesmissbrauchsvorwürfen ins Visier der Ermittler geraten war. Weil diese aber im Jahr 2007 aus Mangel an Beweisen im Berufungsprozess mit einem Freispruch endeten, hatte auch die evangelische Kirche weiter an ihm festgehalten und ihn auch danach noch in der Jugendarbeit arbeiten lassen. Nach dem Bekanntwerden der sexuellen Übergriffe hatte die Kirche eigene, interne Ermittlungen und Konsequenzen angekündigt.

Nach der Urteilsverkündung betont die badische Landeskirche in einer schriftlichen Mitteilung, dass sie sich über das Leid erschüttert zeigt, das den jungen Menschen angetan worden ist. Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh sagt dazu:

Aus heutiger Sicht ist es eine Fehleinschätzung gewesen, die wir zutiefst bedauern. Wir haben damals jedoch bewusst dem Freispruch der Justiz vertraut.

Das aktuelle Urteil gegen den früheren Pfadfinder-Gruppenleiter ist noch nicht rechtskräftig. Alle Seiten haben noch die Möglichkeit innerhalb einer bestimmten Frist Rechtsmittel dagegen einzulegen.

(fw)

 

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