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Mutmaßlicher Neuenburger Selbstjustiz-Fall jetzt vor Gericht

Der mögliche Fall von Selbstjustiz hatte in ganz Deutschland für Schlagzeilen gesorgt. Jetzt müssen sich insgesamt vier Männer vor dem Landgericht Freiburg wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten. Ein damals 17-Jähriger soll im Juni vergangenen Jahres gemeinsam mit seinem Vater und zwei Bekannten den mutmaßlichen Vergewaltiger seiner Schwester in einen Hinterhalt auf einem Parkplatz bei Neuenburg gelockt und erstochen haben. Der 27-Jährige starb noch am Tatort.

Jetzt muss das Gericht unter anderem herausfinden, ob es sich tatsächlich um einen tödlichen Racheakt gehandelt hat. Vater und Sohn hatten die Tat nach ihrer Festnahme bei den Ermittlern gestanden. Das ganze sei jedoch kein geplanter Mord, sondern ein Gewaltausbruch im Affekt gewesen, heißt es von den Verteidigern der Angeklagten. Die Spurenlage scheint aus Sicht von Polizei und Staatsanwaltschaft hingegen eindeutig:

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Nach der Vergewaltigung der Schwester des Angeklagten hatten die Polizei ihre Ermittlungen im Fall aufgenommen. Den beiden Männern ging das offenbar nicht schnell genug. Ihre Familie hatte noch auf sie eingewirkt, nicht auf eigene Faust nach dem Täter zu suchen. Tatsächlich sollen sie diesen aber sechs Tage nach dem Vorfall in einem sozialen Netzwerk ausfindig gemacht haben. Wie die Presse später berichtet, haben sie ihm angeblich über einen Helfer über das Internet Drogen angeboten, um ihn so auf den Pendlerparkplatz in Neuenburg - den späteren Tatort - zu locken.

Dort kam es dann nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft zum Gewaltausbruch. Der heute volljährige Sohn soll das wehrlose Opfer mit einem Schlagstock und einem Elektroschockgerät sowie mit Tritten und Schlägen attackiert haben. Anschließend streckte er sein Gegenüber mit insgesamt 23 Messerstichen nieder - so die Anklage.

Der Prozess wird sich voraussichtlich bis Mitte Juni hinziehen. In über 18 Verhandlungstagen will das Gericht die Aussagen von insgesamt 38 Zeugen und vier Sachverständigen anhören. Nebenkläger ist die Familie des getöteten Mannes. Die Staatsanwaltschaft sagte vor Prozessbeginn im baden.fm-Interview, dass mit seinem Tod wohl niemals aufgeklärt werden kann, ob er die Frau wirklich vergewaltigt hatte oder nicht. Allerdings hatte es im Vorfeld genügend Spuren und Hinweise gegeben, um einen hinreichenden Tatverdacht gegen ihn zu rechtfertigen.

Am Mittag hat das Gericht allerdings beschlossen, dass das Verfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt wird. Grund dafür ist der Schlussbericht der Polizei. Staatsanwalt, Gericht und Anwälte hatten diesen erst einen Tag vor dem Prozessauftakt erhalten. Sie konnten sich offenbar deshalb nicht ausreichend auf das komplizierte Verfahren vorbereiten. Der nächste Verhandlungstag ist daher der 20. April.