Amateurfunk, Szene, Funkgerät, © Pixabay (Symbolbild)

Mit welchen Ideen Amateurfunker in der Coronakrise Menschen helfen möchten

Mit Hilfe von Materialien aus dem Baumarkt und einer speziellen Software könnten schon bald Not-Beatmungsgeräte entstehen

Auch wenn das Hobby hierzulande von vielen noch immer als skurril angesehen wird, dürfte kaum jemand bestreiten, dass die Amateurfunker-Szene über ein herausragendes technisches Fachwissen und auch über einen großen Erfindergeist verfügt. Und genau diese beiden Vorzüge könnten jetzt schon bald der Wissenschaft im weltweiten Kampf gegen das Coronavirus zu Gute kommen. Denn nicht nur die Medizintechnik, Industriekonzerne und Start-Ups arbeiten gerade an konkreten Lösungen für die Intensivstationen, sondern auch viele freiwillige Ideengeber.

Weil es während der laufenden Pandemie momentan in fast allen Ländern an ausreichend Beatmungsgeräten für schwerstkranke Covid-19-Patienten fehlt, suchen Ingenieure der Universität von Florida zusammen mit dem Anästhesisten Prof. Dr. Sam Lampotang nach kostengünstigen Alternativen, mit denen sich die Sauerstoffversorgung der Betroffenen technisch sicherstellen lässt. Die Forschergruppe hatte weltweit dazu aufgerufen, mit Hilfe von gut verfügbaren Materialien wie PVC-Rohren oder Rasensprenkler-Ventilen Ansätze zu entwickeln, um ein Open-Source-Beatmungsgerät in Eigenbau herzustellen.

Funker-Szene bringt spezielles Fachwissen und Erfindergeist mit

Auf diesen Aufruf sind nun besonders viele Amateurfunker aus der ganzen Welt aufmerksam geworden und haben sich mit ihren Ideen zusammengeschlossen, berichtet der US-amerikanische Verband ARRL. Mit Hilfe des Mikro-Computers "Arduino" haben sie in kürzester Zeit eine Steuerungs-Software auf die Beine gestellt, mit der sich bei solchen selbstgebauten Geräten die Atemfrequenz und andere wichtige Einstellungen vornehmen lassen. Damit könnten sie die Luftzüge zielgenau in den Körpern von Patienten mit schweren Virus-Lungenentzündungen steuern, die ansonsten oft nicht mehr selbstständig atmen könnten - zumindest so lange, bis ein professionelles Beatmungsgerät frei wird.

Die Idee der Amateurfunker geht dabei über die reine Software-Lösung hinaus. Sie haben auch schon ein LCD-Display zur Kontrolle, eine Eingabemöglichkeit per Drehgeber und eine so genannte "Watchdog"-Sicherheitsfunktion entwickelt, die automatisch Fehler in der laufenden Technik erkennen und teils auch eigenständig beheben soll.

Weil der Entwurf schon kurz vor der ersten Umsetzung steht, will die University of Florida jetzt die konkreten rechtlichen Fragen klären, unter welchen Umständen die Erfindung als Medizintechnik in den Krankenhäusern und Intensivstationen zum Einsatz kommen könnte. Wichtig wäre dafür neben der zertifizierten Zulassung auch eine möglichst einfache Bedienung. Denn schon bei den professionellen Maschinen müssen sich Mediziner im Regelfall erst einarbeiten, bis sie wissen, wie man sie richtig einsetzt.

An Ostern werden voraussichtlich besonders viele Beatmungsplätze gleichzeitig benötigt

Über Ostern erwartet das Gesundheitsministerium in Baden-Württemberg den ersten Höhepunkt der aktuellen Coronavirus-Infektionswelle. Im Südwesten arbeiten die Krankenhäuser deshalb gerade unter Hochdruck daran, die Zahl der Beatmungsplätze bis nach den Osterferien von aktuell rund 2800 auf danach 3800 zu erhöhen.

Die professionellen Beatmungsgeräte-Hersteller arbeiten für solche Ziele momentan rund um die Uhr durch. Das deutsche Medizintechnik-Unternehmen Drägerwerk in Lübeck hat beispielsweise angekündigt, bis zum Jahresende zusätzliche 10.000 Geräte weltweit bereitzustellen. Der Branchenriese Getinge aus Schweden, der bisher ein Viertel aller Beatmungsgeräte auf der ganzen Welt hergestellt hat, steigert seine Produktion im Jahr 2020 um weitere 60 Prozent und rechnet mit 16.000 zusätzlichen Apparaten. Trotzdem dürfte das bei Weitem nicht ausreichen, glaubt ein Getinge-Sprecher im Interview mit der Wirtschaftszeitung "The Economist".

Vor diesem Hintergrund dürften schnell umzusetzenden und öffentlich zugänglichen Übergangslösungen wie denen der Amateurfunker eine besondere Rolle zukommen. Gleichzeitig arbeiten auch andere "fachfremde" Gruppen wie der Staubsaugerhersteller Dyson oder die Autohersteller Tesla und Daimler an eigenen Beatmungsmöglichkeiten.

(fw)