Bundeskanzlerin Merkel in Freiburg, © baden.fm

Kanzlerin in Freiburg: Merkel will Terror und Fluchtgründe bekämpfen

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Freiburg einen Kurzbesuch abgestattet

Hintergrund war der 125. Geburtstag des verstorbenen Freiburger Wirtschaftswissenschaftlers und Wegbereiters der sozialen Marktwirtschaft Walter Eucken. Merkel war hierfür mit dem Flugzeug aus Berlin nach Karlsruhe und von dort mit einem Helikopter bis nach Freiburg geflogen und war  unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen pünktlich gegen 18 Uhr am Freiburger Konzerthaus eingetroffen – zusammen mit Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon, der aus seinem Australien-Urlaub samt Hochzeit wohl ebenfalls etwas früher zurückgeflogen ist.

Bundeskanzlerin Merkel spricht in Freiburg brisante Themen an

Vor der eigentlichen Rede zur Wirtschaftspolitik hat Merkel der Opfer des Terroranschlags in Istanbul gedacht und klare Worte gegen den internationalen Terrorismus gefunden. Dieser wolle mit solchen entsetzlichen Attentaten die Grundstrukturen der westlichen Gesellschaft attackieren – Merkel glaubt aber, dass freiheitliche Werte weitaus stärker sind als der Terror, sagte sie in Freiburg.

Flüchtlingskrise als Resultat der Globalisierung

In ihrer ca. 35-minütigen Ansprache ist die Bundeskanzlerin anschließend vor allen Dingen darauf eingegangen, wie sich die wirtschaftliche Ordnungspolitik Euckens auch noch heute erleben lässt: Sie nannte beispielsweise die aktuelle Flüchtlingskrise ein "anderes Rendezvous mit der Globalisierung“. Ihrer Ansicht nach sind es vor allen Dingen globalwirtschaftliche Kehrseiten, die einen großen Teil zur Krise beigetragen haben. Konkret betont Merkel, dass sich Deutschland, Europa und alle weiteren Partner im Ausland stärker dafür einsetzen müssen, Fluchtursachen zu beseitigen, um die Heimatländer der Menschen lebenswert zu machen – und zwar auch mit wirtschaftlichen Mitteln. Ihr ist aber bewusst, dass es sich dabei um eine Jahrhundertaufgabe handelt. Für diese Äußerung erhielt Merkel viel Applaus der zum größten Teil geladenen Gäste.

Merkel bedrückt, dass Freihandelsabkommen so umkämpft ist

Angespannter war das Thema TTIP, also das transatlantische Freihandelsabkommen. Zu diesem hat sich Merkel noch einmal sehr klar bekannt, weil sie der Überzeugung ist, dass nur so gerechte internationale Fortschritte entstehen können, wenn nicht um Löhne oder Umweltstandards konkurriert wird. Die umstrittenen Punkte wie zum Beispiel die Sorge um genmanipulierte Lebensmittel, das Verdrängen einheimischer geschützter Produkte oder negativer Auswirkungen für die Kulturbranche hat sie dabei fast komplett ausgeklammert. Diesmal reagierte das Publikum vergleichsweise verhalten mit "dünnem Applaus", wie Merkel halb scherzend bemängelte. Auch Gastgeber und Walter Eucken Instituts-Leiter Lars Feld hätte sich an solchen Stellen mehr Mut zu genaueren Details gewünscht - auch wenn die Kanzlerin seiner Ansicht nach die Brücke von aktuellen Themen zur Ordnungspolitik Euckens an dem Abend immer wieder gut schlagen konnte und sich zu dieser auch bekannt hat.

Respekt vom grünen OB

Auch von Freiburgs grünem Oberbürgermeister Dieter Salomon kam am Dienstagabend viel Zuspruch für Merkel: Er nannte ihren Flüchtlingskurs "Wir schaffen das" eine so wörtlich "unglaublich humanitäre Geste" über 800.000 Menschen ins Land gelassen zu haben. Salomon verwies im Zusammenhang mit der Kritik an der Zuwanderung auf die Anti-Pegida-Demo vor einem Jahr in Freiburg mit über 20.000 Teilnehmern und seine Erlebnisse in der israelischen Partnerstadt Tel Aviv. Dort zolle die Regionalpolitik der deutschen Flüchtlingsstrategie großen Respekt - allen voran der dortige Oberbürgermeister: "Er als Israeli und Jude hat mich als getauften Christen dafür gelobt, dass Deutschland so viele muslimische Flüchtlinge aufnimmt", sagte Salomon.

Vergleichsweise wenige Demonstranten vor dem Konzerthaus

Nicht alle teilen bei diesem Thema den gleichen Optimismus - und so haben sich vor dem Freiburger Konzerthaus neben Schaulustigen auch einige Demonstranten zusammengefunden, die lautstark gegen den Kurs der Bundesregierung protestierten - laut Beobachtern tendenziell Linke ebenso wie Rechte. Und es gab auch Aktionen zu weiteren Punkten: So hat beispielsweise auch eine größere Gruppe von Menschen mit Bannern auf die angespannte politische Lage in der Türkei aufmerksam gemacht. Sie verurteilen die Politik des türkischen Präsidenten Erdogan im Umgang mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK und sprechen von kriegsähnlichen Zuständen. Insgesamt blieb die Zahl der Protestler vor dem Konzerthaus allerdings in allen Lagern sehr überschaubar.

Milchbauern aus Südbaden protestieren mit Traktoren vor Merkel-Besuch

Schon mehrere Stunden vor der Ankunft der deutschen Regierungschefin Merkel haben rund 20 Milchbauern aus ganz Südbaden mit ihren Traktoren vor dem Konzerthaus protestiert. Sie sehen sich in ihrer Existenz bedroht, weil sie seit Jahren nach eigenen Angaben zu wenig Geld für ihre Milch bekommen. Aufgerufen zum erneuten Protest hatte der Bund deutscher Milchviehhalter BDM. Er fordert, dass sich Merkel vor allen Dingen auf europäischer Ebene für gerechtere Regeln auf dem Milchmarkt einsetzt. Nach der Abschaffung der umstrittenen Milchquote gibt es in Europa ein Überangebot an Milch, was den Preis drückt, kritisieren die Bauern.

Großes Polizeiaufgebot - Lage friedlich

Dass der Besuch von Bundeskanzlerin Merkel am Ende dennoch komplett friedlich und ohne größere Zwischenfälle blieb, ist nicht zuletzt den hohen Sicherheitsvorkehrungen der Polizei geschuldet. Diese hatte seit dem Mittag das Gelände rund um das Freiburger Konzerthaus - soweit es die vorbeiführenden Hauptverkehrsachsen zuließen - abgesperrt und kontrollierte Besucher äußerst gründlich.

Merkel bald auf Wahlkampf-Besuch

Vielen von diesen war der insgesamt vierte Besuch von Angela Merkel in Freiburg am Ende des Abends schon fast zu harmonisch abgelaufen. Das könnte sich bei ihrer nächsten Stippvisite in Südbaden im März ändern: Dann steht nämlich in Baden-Württemberg Wahlkampf an - und Merkel will als Unionschefin Schützenhilfe leisten.