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Der Vogel des Jahres ist in Baden-Württemberg vom Aussterben bedroht

Nur noch 200 bis 320 Brutpaare sind im Südwesten zuhause

Zum bereits dritten Mal haben die Menschen über den "Vogel des Jahres" abgestimmt. Der Gewinner bekommt den Titel in Abwesenheit, weil er längst zum Überwintern in den Süden ausgeflogen ist. Überhaupt ist er in Baden-Württemberg selten geworden, die Gründe dafür sind bekannt. Ein Hoch auf das Braunkehlchen!

Das Braunkehlchen ist zum Vogel des Jahres 2023 gewählt worden. Dabei setzte es sich mit rund 43 Prozent der Stimmen mit großem Vorsprung gegen den Feldsperling, den Neuntöter, den Trauerschnäpper und das Teichhuhn durch, wie der Nabu Deutschland und der bayerische Landesbund für Vogel- und Naturschutz am Donnerstag (27.10.2022) verkündeten. 1987 trug der Singvogel den Titel schon einmal.

Laut Nabu Baden-Württemberg zählt das Braunkehlchen dabei zu den vom Aussterben bedrohten Arten. "1950 lebten noch rund 5.000 Brutpaare bei uns", erklärt Nabu-Vogelexperte Stefan Bosch. 1990 seien es noch etwa 1.500 gewesen. Heute gebe es landesweit noch 200 bis 320 Paare. Die Hälfte davon brüte am Federsee, Schwerpunkte lägen auch am Oberrhein, im Südschwarzwald und auf der Schwäbischen Alb. "Das ist dramatisch", so Bosch in einer Mitteilung des Landesverbandes.

Vögeln wird immer mehr der Lebensraum entzogen

"Unermüdlich haben wir Vögeln wie dem Braunkehlchen Lebensraum und Nahrung entzogen und tun dies noch", fährt der Fachmann fort. So seien Brachen überbaut worden, Äcker und Wiesen würden für Tierfutter häufig gemäht und gedüngt. "Auch Freizeitnutzung stört die Vögel mitunter beim Brüten", erläutert Bosch. Obwohl die Ursachen und Bedürfnisse bekannt sind, gehe der Schwund der 12 bis 14 Zentimeter großen Feld- und Wiesenvögel ungebremst weiter.

"Mit Hilfe eines landesweiten Wiesen- und Bodenbrüterprogramms könnten wir dafür sorgen, dass das Braunkehlchen wieder ganz Baden-Württemberg als Heimat entdeckt", gibt sich Nabu-Landeschef Johannes Enssle derweil optimistisch - es bedürfe aber sofortigen Handelns. Er fordert die Landesregierung auf, ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen und die nötigen Gelder für das Programm im kommenden Haushalt einzustellen. "Sechs Millionen Euro werden benötigt. Das sollte es uns wert sein, eine bedrohte Art und mit ihr viele weitere Arten zu retten."

Das Braunkehlchen hat seinen Namen von seiner braun-orangen Brust und Kehle. Den Winter verbringt es südlich der Sahara. Im April kehrt es wieder in den Norden zurück. Es ist das dritte Mal, dass die beiden Naturschutzverbände zur Wahl des Jahresvogels aufgerufen hatten. Gekürt werden die gefiederten Sieger bereits seit 1971, doch in der Vergangenheit suchten die Fachleute den Vogel aus. Nun treffen diese nur noch eine Vorauswahl. Fast 135.000 Menschen beteiligten sich demnach in diesem Jahr an der Wahl im Internet.

(br/dpa)