Villingen-Schwenningen, Handgranate, © Marc Eich - dpa

Anschlag mit Handgranate auf Flüchtlingsheim in Villingen-Schwenningen

Nur durch viel Glück sind die Menschen bei einem Anschlag auf ein Flüchtlingsheim in der Nähe von Südbaden mit dem Schrecken davon gekommen

Unbekannte hatten in der Nacht eine Handgranate über einen Zaun der Unterkunft geworfen. Der Sprengkörper war scharf, der Sicherheitssplint bereits herausgezogen. Dass eine folgenschwere Explosion trotzdem ausblieb, ist laut der Polizei wahrscheinlich nur extremem Glück zu verdanken. Wahrscheinlich hat purer Zufall verhindert, dass die Granate explodiert ist. Möglicherweise hatte sich auch keinen Zünder eingebaut, das versuchen Experten jetzt anhand der Überreste des Sprengkörpers herauszufinden. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hat bei seinem Patrouillengang auf dem Gelände die Granate auf dem Boden liegen sehen und sofort den Notruf gewählt.

Explosion möglicherweise durch reinen Zufall verhindert

Die Polizei ist noch in der Nacht mit einem Großaufgebot ausgerückt und hat das Gelände, sowie alle anliegenden Straßen weiträumig abgesperrt. Entschärfer vom Kampfmittelbeseitigungsdienst haben die Handgranate anschließend kontrolliert gesprengt. Danach haben die Ermittler die Umgebung des Tatorts nach möglichen Spuren des Täters oder der Täter abgesucht. Sie können einen fremdenfeindlichen Hintergrund nicht ausschließen, ermitteln aber in alle Richtungen. Zuletzt hatten über 104 Menschen in der Flüchtlingsunterkunft gelebt, teilt das zuständige Regierungspräsidium Freiburg auf baden.fm-Anfrage mit. Rund 20 von ihnen mussten während des Einsatzes ihre Wohnungen verlassen und konnten erst vier Stunden später wieder in ihre Schlafräume zurückkehren. Viele der Bewohner stehen unter Schock, werden aber von Seelsorgern betreut.

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(Fotos: Patrick Seeger / Marc Eich - dpa)

Handgranate hätte extreme Sprengkraft gehabt

Bei dem Sprengkörper hat es sich unterdessen um eine Kriegs-Handgranate des Typs M52 gehandelt, wie sie auch während der ehemaligen Jugoslawien-Konflikte in den 1990ern zum Einsatz gekommen waren. Im Inneren waren rund 100 Gramm TNT-Sprengstoff verbaut, ummantelt von dickem Gusseisen. Laut Experten ist diese Art von Granate besonders gefährlich, weil sie eine vergleichsweise hohe Sprengkraft besitzt und bei einer Explosion extrem häufig tödliche Splitter in alle Richtungen verschießt.

Großes Entsetzen bei der Politik

Villingen-Schwenningens Oberbürgermeister Rupert Kubon (SPD), Landrat Sven Hinterseh (CDU) und Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer (parteilos) verurteilen den versuchten Anschlag am Freitagmorgen aufs Schärfste. Sie sind entsetzt, aber gleichzeitig erleichtert, dass kein Mensch durch den heimtückischen Versuch verletzt wurde, heißt es in einer Pressemitteilung. Sie haben vor Ort auch das Gespräch mit den Betroffenen in der Erstaufnahmestelle gesucht. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (GRÜNE) sagte am Mittag:

Wir müssen einfach alles dafür tun, dass wir Extremismus, der die rote Linie überschreitet und zu Gewalt übergeht, gesellschaftlich radikal ächten

Kretschmanns Herausforderer bei der anstehenden Landtagswahl, CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf nannte die Attacke einen "Anschlag gegen die Menschlichkeit". Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte sich nach dem Granatenfund zu Wort gemeldet und angekündigt, dass die Täter nicht ungestraft davon kommen dürfen. Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter spricht von einer "neuen, erschreckenden Kategorie des Hasses" und einem "schrillenden Alarmsignal".

Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer zum Anschlag in Villingen-Schwenningen
Villingen-Schwenningens OB Dr. Rupert Kubon zum Anschlag

Sonderkommission sucht nach Hinweisen

Die Kripo in Rottweil hat derweil eine Sonderkommission "Container" eingerichtet und fahndet jetzt mit Hochdruck nach den mutmaßlichen Attentätern. Auch Verfassungsschutz und Landeskriminalamt sind aktiv. Hinweise oder verdächtige Beobachtungen nimmt die 57-köpfige Soko unter der Telefonnummer 07721 / 477-200 entgegen. Die Einsatzkräfte haben vor Ort bereits alle Anwohner befragt und werten nun erste Hinweise aus - eine heiße Spur ist bislang offenbar aber noch nicht dabei. Wer die Granate über den Zaun der Unterkunft geworfen hat, konnte niemand beobachten. Derweil stellt sich auch für die Ermittler die Frage, wem der Anschlag überhaupt galt: Der oder die Täter hatten die Handgranate direkt auf einen Container geworfen, in dem der Security-Dienst der Unterkunft normalerweise die Einlasskontrollen durchführt. Drei Mitarbeiter waren dort während der Nacht gesessen. Nach dem Vorfall in Villingen-Schwenningen soll die Polizei jetzt verstärkt ein Auge auf weitere Flüchtlingsunterkünfte in Baden-Württemberg haben.