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Menschen und ihre Geschichte: Ein Lehrer aus dem Sudan

 

Menschen und ihre Geschichte - Wir von baden.fm möchten den Flüchtlingen hier bei uns in Südbaden nach ihren teils monatelangen Flucht vor Krieg, Verfolgung und extremer Armut ein Gesicht geben - und ihnen auch die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. In den Unterkünften haben wir deshalb mit vielen der Menschen gesprochen, über die Bedingungen in ihren jeweiligen Heimatländern, über ihre persönlichen Gründe, weshalb sie von dort geflohen sind, über ihre Erlebnisse während der Flucht  - aber auch über die Aufnahme hier in Deutschland und ihre Pläne, Ziele und Träume.

Wir warten jetzt auf eine Entscheidung

Ich komme aus dem Sudan und bin über Ägypten nach Deutschland gekommen. Über zwanzig Tage lang waren wir dafür auf hoher See unterwegs, bis wir an der italienischen Mittelmeerküste angekommen sind. Dort haben wir so ungefähr drei weitere Tage verbracht, von dort ging es dann nach Deutschland. Hier leben sehr viele freundliche Menschen, die mit uns einverstanden sind und uns sofort mit dem Nötigsten versorgt haben, Kleidung, Lebensmittel. Hier in Freiburg sind wir in einem sehr großen Camp untergekommen. Hier warten extrem viele Menschen auf die Entscheidung der Regierung, darüber, ob wir bleiben dürfen und arbeiten und unsere Kinder in die Schule schicken. Wir sind jetzt seit zehn Tagen in der Unterkunft und wissen noch immer nicht, was mit uns passieren wird.

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Ungleiche Chancen haben Bürgerkrieg im Sudan ausgelöst

Der Sudan ist ein sehr weitläufiges Land. Es gibt unzählige verschiedene Stämme und Clans, aus Afrika und den arabischen Ländern. Aber das Hauptproblem im Sudan ist ein Krieg zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen. Jeder hat natürlich Grundbedürfnisse, nach Arbeit, Bildung, nach Gesundheit und so weiter. Die Regierung garantiert das nur manchen Leuten und nicht dem ganzen Volk. Das hat einen Bürgerkrieg darüber ausgelöst, was sie eigentlich vom Staat erhalten sollten. Wenn du dich nicht mit ihnen gut stellst, findest du keinen Job und kannst deine Familie nicht ernähren. Ohne die Zustimmung der Regierung kannst du überhaupt nichts machen. Und sie achten auch darauf, allein wenn du aus einem bestimmten Gebiet kommst, dann erlauben sie dir rein gar nichts. Diese Probleme sind daran Schuld, dass wir den Sudan verlassen mussten, in alle möglichen Richtungen.

Jahrelang auf teure Flucht sparen

Meine Flucht hat gut und gerne zwei Monate in Anspruch genommen. Die meiste Zeit davon habe ich in Ägypten verbracht, um dort an genug Geld zu kommen, um mir die teure Überfahrt leisten zu können – umgerechnet um die 300 Dollar. Normalerweise muss man auf so viel Geld drei Jahre lang sparen. Aber tatsächlich sind viele Menschen aus meinem Land über die Grenzen nach Ägypten oder Libyen. Wenn man genug Geld hat, kann man dem Sudan schon entkommen. Die Leute mit besonders gutem Einkommen können sogar ihre Familien mitnehmen. Aber für uns kam das nicht in Frage, weil wir es uns einfach nicht leisten konnten, sie mitzunehmen. Mein Vater und meine Brüder sind im Land geblieben, aber stecken jetzt in großen Schwierigkeiten. Ich hoffe, dass die deutschen Behörden oder andere in Europa auf unsere Situation aufmerksam werden und uns schnell erlauben, unsere Familien da rauszuholen.

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Das Geld reichte kaum zum Leben

Im Sudan habe ich als Lehrer gearbeitet. Ich habe dort vor allem die arabische Sprache unterrichtet. Ich bin jetzt 38 Jahre alt. Aber vom Aufwand her ist ein Tag als Lehrer im Sudan so umfangreich wie drei Tage hier in Deutschland. Außerdem ist das Geld dort viel schneller aufgebraucht. Es reicht im Sudan gerade einmal, um sich eine Wohnung zu mieten und ein wenig Essen zu kaufen und Strom oder die Wasserversorgung zu bezahlen. Am Ende des Monats bleibt in der Regel absolut nichts übrig, meistens sogar schon nach einem halben Monat. Und du hast trotzdem die Schüler zu unterrichten und würdest vielleicht gerne ein Haus für die Familie kaufen oder hast Rechnungen zu bezahlen. Auch deshalb habe ich mein Land verlassen.

Keine freie Meinungsäußerung in der Heimat

Außerdem hat die Regierung ein Problem damit, dass immer mehr Menschen etwas lernen möchten. Sie fragen sich wohl, was soll das? Die Bürger sollen dort bleiben und ja nicht den Mund aufmachen. Das sorgt für Unruhen. Wenn man sich frei äußert, stecken sie einen ins Gefängnis. Nein, in diesem Staat konnte ich es nicht länger aushalten. Wir hoffen natürlich, dass sie irgendwann die Nöte der Menschen erkennen, aber Gott weiß, wann das sein wird. Für die Überfahrt von Ägypten aus braucht man normalerweise fünf bis sechs Tage. Aber wir hatten auf hoher See ziemliche Schwierigkeiten. Vielleicht war der Motor unseres Boots kaputt. Bei unserer Flucht sind um die 50 Menschen gestorben. Vier Tage lang gab es kein Wasser und kein Essen. Wir waren über 400 Leute, als wir losgefahren sind. In Italien waren es nur noch 350. Alte Menschen, junge, und auch Kinder sind gestorben. Aber so ist wohl das Leben.

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Solche Menschen wie in Deutschland gibt es sonst nicht

Ich würde mir sehr wünschen, hier jetzt bleiben zu dürfen und vielleicht eine Arbeit zu finden. Ich liebe die Menschen hier in Deutschland, sie kommen und stärken uns nach all dem den Rücken. Ich glaube nicht, dass man in seinem Leben sonst viele Menschen wie sie trifft. Es war für sie gar keine Frage, uns mit Kleidung und Nahrung zu versorgen und wollen uns sogar dabei helfen, die Deutsche Sprache zu lernen. Die ganzen Dinge. Solche Menschen findet man nirgendwo anders auf der Welt. Natürlich sind wir hier Ausländer, aber wir fühlen uns nicht ausgegrenzt. Hier in Deutschland kümmert man sich um uns.